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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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ich zum Schrank.
    Wie froh war mir ums Herz, als ich die Gewissheit hatte, es nicht geträumt zu haben!
    Abermals zog ich an der Tür, doch Gertie hielt sie noch immer von innen fest.
    »Also gut, Liebes«, sagte ich und trat einen Schritt zurück. »Dann machen wir es eben so.« Ich ließ mich auf dem Fußboden nieder. »Du klopfst einmal für ja und zweimal für nein.«
    Doch was sollte ich sie fragen – es gab so vieles, was ich gern von ihr erfahren hätte: was sie noch wusste; ob sie sich an den Sturz erinnern konnte; ob es sehr weh getan hatte.
    Ja- und Nein-Fragen , ermahnte ich mich.
    »Geht es dir gut? Bist du … verletzt?«
    Keine Antwort.
    Ich holte tief Luft und versuchte es aufs Neue. Den Unfall und ihren letzten Tag wollte ich lieber nicht mehr erwähnen. Dazu wäre später immer noch Zeit.
    »Kann ich dir etwas bringen? Hast du … hast du Hunger?«
    Sie klopfte einmal, hart und schnell.
    »Ja, natürlich, es tut mir so leid, mein Schatz – ich bringe dir etwas zu essen.«
    Ich eilte die Stufen hinunter und suchte rasch ein Stück Brot, Marmelade und etwas Käse aus der Speisekammer zusammen. Dann wärmte ich Milch auf und gab einen Löffel Honig hinein, so wie sie es mochte. Mein Herz tanzte vor Freude, weil ich wieder Essen für sie zubereiten durfte. Ich eilte zurück nach oben, in schrecklicher Angst, ich könnte den Wandschrank verlassen vorfinden und mir alles nur eingebildet haben.
    »Da bin ich wieder«, rief ich, vor dem Schrank angekommen. »Ich stelle dir das Essen vor die Tür. Soll ich hinausgehen, solange du isst?«
    Ein Klopfen.
    Aber ach, was für ein Glück ich bei diesem Klopfen empfand!
    Erleichtert, dass sie noch da war, stellte ich den Teller vor den Schrank auf den Boden.
    »Ich bin solange draußen im Flur«, teilte ich ihr mit und zog mich rückwärts aus dem Zimmer zurück.
    Ich schlüpfte hinaus und schloss die Tür hinter mir. Dann wartete ich. Dabei riss ich an der Haut um meine Fingernägel und presste aus den Wunden winzige Blutstropfen hervor.
    Ich dachte an die vielen Male, die Gertie und ich im Haus und auf dem Hof Verstecken gespielt hatten. Wie ich gewartet hatte, genau wie jetzt, die Augen fest geschlossen und laut bis zwanzig zählend, um schließlich »Ich komme!« zu rufen.
    Und wenn sie gefunden war, hatte ich sie in meine Arme geschlossen, und sie hatte lachend gesagt: »Bin ich nicht die allerbeste Versteckerin der Welt, Mama?«
    »Ja, mein Schatz. Die allerbeste.«
    Manchmal begann das Spiel ohne Vorwarnung, sogar wenn wir in der Stadt unterwegs waren. Wir kauften im Gemischtwarenladen ein, und wenn ich mich nach ihr umwandte, war sie auf einmal fort. Ich streifte dann auf der Suche nach ihr durch die schmalen Gänge, während der Holzboden unter meinen Schuhen knarrte. Ich spähte zwischen die Regale mit Mehl, Salz, Maismehl und Backpulver. Manchmal versteckte sie sich auch zwischen den Stoffballen, hinter dem Fass mit Zuckerrübensirup oder in der Ecke beim Kohleofen, wo die alten Männer zusammenkamen, um sich die Hände zu wärmen und zu schwatzen. Ich suchte den ganzen Laden ab, rief Gerties Namen, und die anderen Kunden lachten leise. Die Farmer in ihren Latzhosen, die Frauen, die Knöpfe und Garn oder eine Schachtel Seifenpulver kaufen wollten – sie alle waren mit unserem Spiel vertraut. Manchmal halfen sie mir beim Suchen, ein andermal hielten sie Gerties Versteck vor mir geheim, indem sie sich genau davorstellten. Abe Cushing, dem der Laden gehörte, erlaubte ihr einmal sogar, sich hinter dem Tresen unter der Kasse zu verstecken. Er fütterte sie mit Süßigkeiten aus den Gläsern, die er auf dem Ladentisch stehen hatte – Lakritz, Karamellen, Lutschbonbons –, während sie darauf wartete, dass ich sie fand.
    Dies hier jedoch war ein neues Spiel, dessen Regeln mir nicht vertraut waren.
    Die Minuten verstrichen. Ich verhielt mich ganz still und lauschte.
    Endlich hörte ich das Quietschen der Angeln, als sich die Schranktür öffnete, dann wurde der Teller in den Schrank gezogen. Es kostete mich all meine Willenskraft, nicht die Schlafzimmertür zu öffnen, um wenigstens einen kurzen Blick auf sie zu werfen. Wie sehr sehnte ich mich danach, sie noch einmal zu sehen, um mir selbst zu beweisen, dass sie wahrhaftig da war!
    Einen Moment lang herrschte Stille, dann das Klirren von Glas. Ich stürzte ins Zimmer und sah gerade noch die Schranktür zuschlagen. Der Teller war fortgeschleudert worden, das Essen lag verstreut am Boden. Das Milchglas war

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