Winterfest
anderen Fotos, aber nur auf dem ersten war der Inhalt der Tasche teilweise sichtbar.
Ein durchdringendes Geräusch ließ sie zusammenfahren. Gleich darauf folgte ein Wutausbruch in einer fremden Sprache. Zwanzig Meter von ihr entfernt standen drei Männer in Regenkleidung um eine Metalltrommel herum, die offenbar von einem Lastwagen gefallen war. Ein weiterer Mann kam aus einer Arbeitsbaracke, fuchtelte mit den Armen und rief ihnen etwas zu.
Das Herz in ihrer Brust hämmerte. Sie schaute zur Lagerhalle hinüber und beschloss, sich einen anderen Standplatz zu suchen, von dem aus sie vielleicht in das Gebäude hineinsehen konnte.
Sie ließ den Motor an und fuhr eine Runde, ehe sie eine Stelle fand, wo die Container eine Gasse bildeten und sie den Wagen versteckt hinter einem unordentlichen Stapel von Betonteilen parken konnte. Durch einen Spalt konnte sie die Halle und Teile des Halleninneren sehen. Das Lager lag im Halbdunkel und schien einige große Stahlkonstruktionen zu beherbergen. Außerdem standen dort mehrere Fahrzeuge. Aber sie konnte keinerlei Aktivität erkennen.
Die Kameralinse brachte sie näher heran. Sie konnte Leute sehen, die sich bewegten, aber sie blieben undeutliche Schatten.
Sie senkte den Fotoapparat und suchte die Umgebung mit Blicken ab, ob es eine Möglichkeit gab, näher an die Halle heranzukommen. Sie konnte sich zu Fuß an einigen Schuppen nahe am Wasser entlang bewegen, aber einen besseren Einblick würde sie dadurch nicht erhalten.
Über dem Meer hatte sich der Himmel verdunkelt und der Regen wurde stärker. Schwere Tropfen schlugen auf das Autodach und das Wasser senkte sich wie ein Schleier über die Windschutzscheibe.
Line legte die Kamera weg und holte ihr Handy heraus, rief die Nummer von Tommy auf und zögerte mit dem Daumen auf der grünen Taste. Das Einfachste wäre, ihn anzurufen, ein harmloses Gespräch anzufangen und ihn auszuhorchen, was er eigentlich machte. Sie wollte gerade die Taste drücken, als in der Halle die Scheinwerfer eines Autos aufleuchteten. Dann wurde ein zweites Fahrzeug angelassen und beide setzten sich in Bewegung. Zwei große, dunkle Wagen mit getönten Scheiben rollten aus der offenen Lagerhalle. Sie fuhren in weniger als vierzig Metern Abstand an ihr vorbei. Schlammwasser spritzte aus Schlaglöchern in der Kiesdecke auf.
Mit der Hand am Zündschlüssel wartete sie, bis die Autos außer Sichtweite waren. Sie wollte gerade den Motor starten, als die Türen auf beiden Seiten des Wagens aufgerissen wurden. Ein Mann warf sich auf den Beifahrersitz und riss den Autoschlüssel aus der Zündung.
Sie konnte gerade noch registrieren, dass es der langhaarige Typ war, der an ihrem Küchentisch gestanden hatte, als ein anderer Mann ihr die Hand auf den Mund presste und sie aus dem Wagen zog.
67
Das Schulterholster mit der Pistole drückte unangenehm auf die Rippen an der linken Körperseite. Wisting zog den Gurt zurecht und studierte die Bildschirme mit den Videoaufnahmen vom Inneren der Zählzentrale.
Sie hatten das Büro des Schornsteinfegermeisters in der obersten Etage der Feuerwache zur Kommandozentrale umgewandelt. Vom Fenster aus hatten sie einen direkten Blick auf das Gelddepot.
Der Regen prasselte auf den Asphalt und lief in kleinen Bächen den Weg zur Rückseite des rotbraunen Gebäudes hinunter. Der breite Fluss davor strömte normalerweise träge und ruhig dahin. Der ganze Regen hatte ihn jedoch breit und reißend gemacht und das Wasser reichte hoch an den Pfählen der alten Kaianlage hinauf.
Leif Malm war zusammen mit den Mannschaften des Einsatzkommandos eingetroffen. Er ging in den Nachbarzimmern ein und aus und telefonierte die ganze Zeit mit dem Handy am Ohr, ohne dass er etwas Neues zu berichten hatte.
Der Leiter des Einsatzkommandos hieß Kurt Owesen. Er blieb zusammen mit Wisting im Büro. Er war groß und vierschrötig mit millimeterkurzem Haarschnitt. Seine Haut war grobporig und voller Narben.
»Schöne Bilder«, kommentierte er. »Messerscharf.«
Das stimmte. Die Bilder waren von hoher Qualität. Wisting war froh, dass er die Ereignisse am Bildschirm verfolgen konnte, statt den überwachten Raum entern zu müssen.
Die bewaffneten Mannschaften waren unten in der Fahrzeughalle versammelt. Die Löschzüge standen auf dem geräumigen Platz vor dem Gebäude und die gepanzerten Fahrzeuge der Polizei warteten versteckt hinter den Toren, bereit zum Ausrücken.
Wisting trat ans Fenster. Ein Schwarm Enten zog in niedriger Flughöhe von
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