Winterfest
sagte er. »Sie will eine Zeit lang allein sein.«
»Trotzdem«, antwortete sie und deutete mit einem Kopfnicken auf das trübe Grau vor dem Fenster. »Das Wetter soll schlechter werden, haben sie gesagt.«
Noch bevor sie ihren Tee ausgetrunken hatten, klingelte es an der Tür. Wisting öffnete.
Thomas R ø nningen war kleiner, als er gedacht hatte. Er trug Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover unter der Windjacke. In seinen blauen Augen lag ein jovialer Ausdruck. Er streckte die Hand aus und Wisting kam es plötzlich vor, als würde er einen alten Freund begrüßen.
Er bat R ø nningen herein. Der prominente TV-Moderator hängte seine Jacke an die Garderobe und zog die Schuhe aus. Er grüßte Suzanne, dann folgte er Wisting hinauf in das Mansardenzimmer. Er stand am Fenster, während Wisting etwas zum Schreiben suchte. Das Tageslicht am aschgrauen Himmel verschwand langsam.
»Fantastische Aussicht an schönen Tagen, kann ich mir vorstellen«, kommentierte R ø nningen.
»Da haben Sie völlig recht«, bestätigte Wisting und bat den Moderator, Platz zu nehmen.
»Eigentlich hätten wir das auch am Telefon besprechen können«, sagte Thomas R ø nningen und setzte sich aufs Sofa. »Ich habe keine Ahnung, was passiert ist.«
Wisting setzte sich ihm gegenüber und schaltete das kleine Aufnahmegerät ein. Das sorgte für eine etwas offiziellere Situation. »Schön, dass Sie sich trotzdem Zeit genommen haben«, meinte er.
Der andere nickte.
Sinn und Zweck einer Vernehmung war immer derselbe: neue Informationen zu beschaffen. Wisting empfand es oft als ein Spiel zwischen zwei Personen, die jeweils ein bestimmtes Wissen über etwas besaßen. Der Polizist sollte die Vernehmung leiten und die Prämissen setzen, während die andere Person dazu da war, Informationen zu liefern. Manchmal war der Vernommene ein so geschickter Gesprächspartner, dass er die Kontrolle über Teile der Befragung übernahm und der Polizist Informationen preisgab, anstatt sie einzuholen.
Thomas R ø nningen war ein Profi, was Gesprächsführung betraf. Falls er mehr mit der Sache zu tun hatte, als er zugab, musste Wisting auf der Hut sein. Er legte den Notizblock auf den Schoß und schlug eine neue Seite auf, was in erster Linie ein Signal für sein Gegenüber war, dass die Vernehmung begonnen hatte.
»Wann waren Sie zuletzt in der Hütte?«
»Vor vierzehn Tagen. Ich war von Freitag bis Montag dort.«
»Waren Sie allein?«
»Ja.«
Wisting warf einen Blick auf das Kassettengerät. Aus der Regenbogenpresse wusste er, dass Thomas R ø nningen geschieden war. Er wurde als attraktiver Junggeselle gehandelt und war in den letzten Jahren mit mehreren bekannten Schauspielerinnen und Sängerinnen liiert gewesen.
»Es war niemand zu Besuch?«
»Nein, wirklich nicht. Ich schreibe ein Buch, deshalb möchte ich lieber allein sein.«
»Ein Buch?«
»Über all das, was man im Fernsehen nicht sieht«, lächelte R ø nningen. »Was hinter den Kulissen passiert und wenn die Kameras abgeschaltet sind. Ich habe fast zweihundert Sendungen mit rund tausend Gästen gemacht. Die gesamte Elite der norwegischen Gesellschaft war bei mir. Wirtschaftsbosse und Persönlichkeiten des kulturellen Lebens. In meiner Sendung waren Staatsoberhäupter und Majestäten, Pornosternchen und prominente Verbrecher zu Gast. Ist doch klar, dass daraus ein Buch werden muss.«
Wisting lächelte zurück und wandte sich wieder dem Thema zu. »Hat außer Ihnen noch jemand Zugang zur Hütte?«
R ø nningen wand sich ein wenig. Ein Muskelzucken im Augenwinkel verriet Wisting, dass ihm die Frage nicht behagte.
»Ich verstehe nicht ganz, was Sie mit all dem bezwecken. Der Punkt ist doch, dass ich diejenigen, die gestern da waren, nicht eingeladen habe.«
»Tut mir leid.« Wisting legte den Stift in das offene Notizbuch. Er hätte deutlicher machen müssen, was er mit der Vernehmung bezweckte. Ein verunsicherter Zeuge war ein schlechter Zeuge.
»Es geht darum, zu eliminieren und auszuschließen«, erklärte er. »Die Kriminaltechniker haben Fingerabdrücke und DNA-Spuren gesichert. Wir müssen diejenigen Personen ausschließen, die in der letzten Zeit berechtigten Zugang zu der Hütte hatten, erst dann können wir sicher sein, welche Spuren der oder die Täter hinterlassen haben. Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke. Falls es eine längere Ermittlung wird, könnte es sein, dass wir auch die Fingerabdrücke Ihrer Gäste brauchen.«
Thomas R ø nningen lehnte sich zurück. Kleine
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