Winterfest
Strafregister nach Tommys Namen durchsucht, ohne etwas zu finden. Als er ihn etwas besser kennengelernt hatte, sah er, dass Tommy auch Qualitäten besaß, die Line schätzte, wie er erkannte. Tommy war aufmerksam und rücksichtsvoll und hatte sich als guter Gesprächspartner erwiesen, der zuhörte und mitdachte. Aber er selbst war naiv gewesen. Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung hätte er wissen müssen, dass auch Kriminelle gute Eigenschaften besitzen. Aber was er jetzt erfahren hatte, warf ein völlig neues Licht auf Tommy Kvanter. In jungen Jahren kleinkriminell gewesen zu sein, war eine Sache. Etwas ganz anderes war es, sich mit Europas größtem Kriminellen einzulassen. Allein schon bei dem Gedanken, dass Line etwas mit so skrupellosen Leuten zu tun hatte, wurde ihm schlecht. Das war kein harmloses Spiel.
Er schluckte schwer und zwang sich, wieder am Gespräch teilzunehmen.
»Lasst mich kurz erwähnen, dass es ja eine rationale Erklärung für das Geschehene gibt«, sagte er und versuchte, eine Hypothese in Worte zu kleiden, die sich parallel zu seinen persönlichen Sorgen gebildet hatte: »Rudi Muller weiß, wie die Polizei arbeitet. Er wusste, falls wir die Leiche als Trond Holmberg identifizieren sollten, würde das eine direkte Verbindung zu ihm herstellen. Die Leiche war das Verbindungsglied und wir haben aller Welt erzählt, dass das Opfer maskiert war und wir den Obduktionsbericht abwarten mussten, um etwas über die Identität sagen zu können. Das Fernsehen hat sogar Bilder von dem Leichenwagen gesendet, wie er vom Tatort wegfährt. Wir haben es ihm leicht gemacht.«
»Dann ist er aber ein großes Risiko eingegangen«, meinte Christine Thiis.
»Das Handlungsmuster ist absolut typisch für Rudi Muller«, erklärte Petter Eikelid.
»Was ist mit dem anderen, der bei der Tour dabei war?«, fragte Nils Hammer. »Weiß die Quelle etwas über ihn?«
»Bisher nicht. Er trifft sich wahrscheinlich heute Abend mit Rudi Muller. Möglich, dass wir dann mehr erfahren.«
»Warum haben sie den Stoff ausgerechnet hier bei uns an Land geschafft?«, fragte Hammer weiter.
»Das wurde in unserem Gespräch mit der Quelle nicht thematisiert, aber aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um eine altbewährte Route, die Rudi Muller übernommen hat. Wir wissen auch, dass Muller Verbindungen hierher hat.«
»Was für Verbindungen?«
»Das ist nicht ermittelt worden, aber er hat mit Werner Roos zusammengearbeitet, der eine längere Haftstrafe verbüßt, und er operiert im selben Netzwerk.«
Wisting nickte. Werner Roos war ein Immobilieninvestor, der sein Unternehmen durch Einfuhr und Absatz von Rauschgift aufgebaut hatte. Die Ermittlungen von Økokrim hatten ihm acht Jahre Gefängnis eingebracht, aber sein Netzwerk arbeitete noch.
Leif Malm ergriff wieder das Wort: »Diese Situation be findet sich in der Entwicklung. Unser Informant erzählt, dass Rudi Muller unter Druck steht und eine Frist gesetzt be kommen hat, um seine Verpflichtungen zu erfüllen. Der Druck auf ihn wird wahrscheinlich noch steigen, falls sich herausstellt, dass einer der Kuriere die Tour nicht überlebt hat.«
Christine Thiis hatte ihren Notizblock vollgeschrieben und blätterte eine neue Seite auf. »Wie viel von diesen Informationen können wir verwenden?«, fragte sie.
»Nichts«, erwiderte Leif Malm mit Nachdruck. »Was wir euch heute mitgeteilt haben, ist als Geheimdienstinformation klassifiziert. Falls etwas davon herauskäme, wäre das Leben unseres Informanten in Gefahr. Wir können euch die Information geben, aber die weiterführenden Spuren müsst ihr selbst finden.«
Das Erkennungsfoto von Trond Holmberg lag mitten auf dem Tisch. Wisting zog es zu sich heran und wurde nachdenklich. »Haben wir seine Daten im DNA-Register?«
»Nein, nur das Foto und die Fingerabdrücke.«
Christine Thiis wirkte resigniert. »Wir haben also einen Tatort voller Blut, das wahrscheinlich von ihm stammt, aber eine Bestätigung dafür bekommen wir nicht.«
Wisting legte das Foto wieder hin. Da saßen sie mit der Antwort in Händen, mussten sich aber etwas einfallen lassen, um auf Umwegen zu dieser Antwort zu kommen.
»Falls Trond Holmberg vermisst gemeldet wird, wäre das ein Zugang für uns«, dachte er laut nach. »Dann würde es logisch erscheinen, dass wir Referenzproben von der Familie einholen und sie mit allen nicht identifizierten Leichen und Profilen in anderen Fällen abgleichen.«
»Bis auf die Schwester hatte er keinen engen Kontakt
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