Winterfest
Dänemark kommen, und zwei Männer kommen mit dem Geld aus Oslo, um den Stoff zu übernehmen?«
Sie illustrierte, was sie sagte, indem sie ihre gekrümmten Hände über die Tischplatte aufeinander zubewegte, bis sie sich direkt vor ihr trafen.
»Dann geht irgendetwas schief. Schüsse fallen, wir finden zwei Leichen, und sowohl das Geld als auch der Stoff sind weg.«
Leif Malm warf ihr ein weiches Lächeln zu. »Wir und Rudi Muller glauben, dass es sich um einen Raubüberfall handelt. Dass jemand Wind von dem Plan bekommen hat und mit dem Geld und dem Stoff abgehauen ist.«
Nils Hammer erhob sich und holte die Kanne mit dem frisch gebrühten Kaffee. »Von wie viel Geld reden wir?«, fragte er und teilte Kaffeetassen aus.
»Zwei Millionen, aber Rudi muss auch für den Stoff geradestehen.«
»Inwiefern?«
»Die europäischen Hintermänner betrachten den Stoff als geliefert, nur dass sie dafür nichts bekommen haben.«
»Gibt es Vermutungen, wer hinter dem Raub steht?«
Petter Eikelid holte eine Packung Kaugummi aus der Jackentasche, drückte eins heraus und steckte es in den Mund. »Nein«, antwortete er kurz.
Hammer setzte sich wieder. »Rudi Muller muss doch einen Verdacht haben, wo die undichte Stelle ist?«
»Er wird keine Mittel und Wege scheuen, um das herauszufinden.«
Wisting blickte von seinen Notizen auf. »Habt ihr Informationen darüber, wer hier unten war, um den Stoff abzuholen?«
»Wir glauben, wir wissen, wer der Getötete ist.«
Petter Eikelid legte ein erkennungsdienstliches Foto von einem jungen Mann mit runden Augen auf den Tisch. Das Gesicht des Mannes war blass und Kinn und Wangen mit Pickeln übersät.
»Das ist Trond Holmberg«, erläuterte er. »Der kleine Bruder von Rudis Freundin. Er ist seit dem Freitagvormittag, als er zusammen mit Rudi in der Bar des Shazam Station war, von der Bildfläche verschwunden.«
Wisting spürte, wie sich plötzlich in seiner Magengegend ein fester Knoten zusammenzog. Der Name des Restaurants, dessen Miteigentümer Tommy war, traf ihn wie ein Faustschlag. Sein Mund war ganz trocken und er trank einen Schluck aus dem Wasserglas.
»Shazam Station?«, fragte Christine Thiis.
»Das ist eins der Restaurants, an denen Rudi Muller beteiligt ist«, erklärte Petter Eikelid. »Falls der verbrannte Tote im Leichenwagen als Holmberg identifiziert wird, sind wir ein gutes Stück weiter.«
Wisting spürte, wie ihm die Kehle eng wurde; er räusperte sich, aber seine Stimme wurde dadurch nur noch rauer. »Das ist nicht Holmberg«, sagte er.
Er schluckte und berichtete, was er über die Obduktion erfahren hatte. Die Leiche in dem Wagen des Bestattungsinstituts war aller Wahrscheinlichkeit nach der Fahrer.
Wisting atmete schwer, rieb die Handflächen aneinander und hörte das Gespräch der Kollegen am Tisch wie aus weiter Ferne, während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Rudi Muller war Miteigentümer des Shazam Station, desselben Restaurantkomplexes, an dem der Mann, der bis gestern mit seiner Tochter zusammengelebt hatte, beteiligt war. Tommy unterhielt mit anderen Worten Geschäftsbeziehungen zu dem Mann, der jetzt als Hauptverdächtiger in einem komplizierten Mordfall dastand.
Er fluchte in sich hinein. Wo hatte er in den letzten Jahren seinen Kopf gehabt? Er hatte sich von der Beziehung distanziert, die seine Tochter mit dem gleichaltrigen Dänen führte. In erster Linie, weil er dessen Vergangenheit kannte und wusste, was er auf dem Kerbholz hatte. Er hatte sich entschieden, den Mund zu halten, wenigstens so lange, bis er sah, wie sich das Verhältnis zwischen Tommy und Line entwickelte. Nachdem sich die Beziehung als stabil herausstellte, hatte er weiter geschwiegen. Es hatte ihm widerstrebt, sich in Lines Liebesleben einzumischen.
Er musste sich konzentrieren, um unbefangen zu wirken. Er hat genug Lebenserfahrung, um zu wissen, dass er sich auf seine Intuition verlassen konnte. Sie war es, die ihn in ernsten Dingen leitete. Wenn es um seine eigene Tochter ging, den wichtigsten Menschen in seinem Leben. Wisting verfluchte sich und seine Zurückhaltung. Aus Angst, seine Tochter von sich wegzutreiben, hatte er ihr nie gesagt, was er wirklich von ihrer Beziehung zu Tommy hielt. Er hatte sie ihr eigenes Leben leben lassen, und jetzt saß er hier, mit Informationen, die er lieber nicht gehabt hätte. Und einer nagenden Sorge um das Wohl und Wehe seiner Tochter.
Als die Beziehung noch frisch gewesen war, hatte er in regelmäßigen Abständen die
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