Winterfest
tun, dachte er. Wenn er Gedanken und Taten Hand in Hand gehen lassen konnte und wusste, dass das Resultat der ganzen Arbeit einen Unterschied bewirkte. Das gab ihm den Glauben, dass sein Tun dazu beitragen konnte, die Welt besser zu machen.
Benjamin Fjeld kam herein.
Wisting blickte auf und nahm schnell die Brille ab, um seine Augen auf die Ferne einzustellen. »Du bist noch da?«, fragte er.
»Ich dachte, ich mache jetzt Feierabend«, erwiderte der junge Kollege. »Falls nichts mehr ansteht?«
Wisting erkannte darin seine eigene Angst als junger Ermittler wieder, irgendwas zu verpassen. Die Angst, nicht da zu sein, wenn ein großer Fall plötzlich vorankam.
»Ich rufe dich an, falls sich etwas tut«, versicherte er. »Geh nach Hause und nimm eine Mütze voll Schlaf.«
Benjamin Fjeld war schon auf dem Weg zur Tür, blieb jedoch stehen und drehte sich halb um. »Hast du übrigens mitgekriegt, dass sie uns die Schuld an den toten Vögeln geben?«
»Tatsächlich?«
»Irgend so ein Vogelbeobachter gibt der Polizei die Schuld.« Er deutete mit einem Nicken auf den Bildschirm. »Steht auf der Internetseite von VG .«
Wisting rief die Seite auf und addierte damit ein paar Klicks mehr zu dem Zählwerk der Redaktion. Die Zeitung spekulierte darüber, ob der jähe Vogeltod etwas mit der Polizeiaktion am Freitagabend in Larvik zu tun hatte, bei der ein Polizeihubschrauber das Gebiet um den Schauplatz des Mordes in geringer Höhe überflogen hatte. Der Vorsitzende des Verbands norwegischer Ornithologen meinte, die Vögel seien vor lauter Erschöpfung gestorben. Wenn große Vogelschwärme hohem Stress ausgesetzt seien, könnten sie sich schlicht zu Tode fliegen, wie er es formulierte.
»So ist das«, sagte Wisting und klickte auf einen Link, der ihn zu einem anderen Artikel über dasselbe Thema führte. »Alles hängt mit allem zusammen.« Er griff nach der Kaffeetasse, nur um festzustellen, dass sie leer war. »Gefällt es dir eigentlich bei uns?«, fragte er und öffnete die Thermoskanne.
Der junge Polizist kam zurück in das Büro. »Ja«, antwortete er.
Wisting füllte seine Tasse und nahm einen unbenutzten Plastikbecher für Benjamin Fjeld.
»Das merkt man deiner Arbeit auch an«, sagte Wisting und nickte zum Posteingangskorb mit den Berichten. »Du bist effektiv und gründlich.«
Benjamin Fjeld nahm den Becher entgegen. »Vielen Dank«, erwiderte er. »Ich hoffe, sie machen eine Ausnahme, sodass ich hierbleiben kann.«
Wisting nickte.
Laut Vorschrift hospitierten die Beamten der Schutzpolizei ein halbes Jahr in der Ermittlungsabteilung und gingen anschließend mit der erworbenen Kompetenz zurück in den alten Dienstbereich. Benjamin Fjeld besaß allerdings Eigenschaften, die ihn zu einem echten Gewinn für die Ermittlungsabteilung machten. Wisting hielt ihn für einen geborenen Ermittler, jemanden, der sich in die Arbeit kniete und dem die Fälle und die involvierten Menschen wirklich am Herzen lagen.
»Wir werden sehen, was wir machen können«, sagte er. »Du bist ja noch ein paar Wochen bei uns, und solange die aktuelle Sache nicht aufgeklärt ist, behalten wir dich auf jeden Fall hier.«
Sie unterhielten sich noch eine Weile über den Fall. Wisting erlebte den jungen Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches als guten Gesprächspartner und aufmerksamen Beobachter, mit einer Menge Fragen und Argumente, die nützliche Gesichtspunkte hinzufügten.
Als Benjamin Fjeld das Büro eine Stunde später verließ, war es nach Mitternacht. Wisting wandte sich wieder dem Bildschirm zu, setzte seine Brille auf und vertiefte sich in das Ermittlungsmaterial.
Nils Hammer hatte seine Aufstellung über die Autos abgeschlossen, die beide Mautstationen zwischen Oslo und Larvik durchfahren hatten. Sie war im Datensystem abgelegt und mit einem Kommentar versehen, dass die Daten noch nicht analysiert worden waren.
Wisting scrollte die lange Reihe von Autokennzeichen, Wagentypen, Besitzerinformationen und Zeitpunkt der Durchfahrt hinunter.
Seine Augen waren müde und er kniff die Lider zusammen, um den Blick scharf zu stellen.
Mitten auf dem Bildschirm tauchte ein bekannter Name auf: Thomas R ø nningen. Er war Besitzer eines schwarzen Audi S 5, der die Mautstation bei Sande um 19.32 Uhr passiert hatte. Es war derselbe Wagen, der gestern Abend vor Wistings Haus geparkt hatte.
Er schluckte und suchte die Niederschrift von Thomas R ø nningens Aussage auf Band heraus. Ungefähr in der Mitte der Vernehmung fand er,
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