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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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fragte Wisting.
    »Tote Vögel, die vom Himmel fallen. Hast du das nicht mitgekriegt? Die machen doch größere Schlagzeilen als euer Fall.«
    Line ging zur Küchentür, wo sie ihre Tasche abgestellt hatte, und zog den Laptop heraus. Sie klappte ihn auf und stellte ihn vor ihrem Vater auf den Tisch.
    Tote Vögel regnen vom Himmel, lautete die Schlagzeile. Wisting erkannte den Mann auf dem Foto wieder. Es war der Bauer, bei dem Wisting nach dem Überfall Hilfe gesucht hatte. Er hatte eine Schaufel in der Hand, auf der vier schwarze, tote Vögel lagen.
    Etwa tausend Vögel seien im Laufe des Wochenendes rund um Helgeroa vom Himmel gefallen, las er. Das rätselhafte Phänomen habe am Samstagmorgen begonnen und sich das ganze Wochenende hindurch fortgesetzt. Bauer Christian Nalum habe erlebt, dass tote Vögel auf das Haus, das Autodach und auf seine Wiesen fielen, und allein hundert Vögel auf seinem Grund und Boden eingesammelt. Der Wildtierbeauftragte habe inzwischen das Einsammeln der Tiere übernommen und werde sie durch die Veterinärhochschule untersuchen lassen.
    »Zwei von diesen Vögeln sind mir auch gegen das Auto geprallt, als ich am Freitagabend unterwegs war«, sagte Wisting.
    »Und ich habe einen auf der Treppe zur Hütte gefunden«, erzählte Line. »In anderen Ländern ist das auch passiert«, fügte sie hinzu und zeigte auf einen Textabschnitt.
    Mehr als fünftausend tote Vögel seien vergangene Woche über dem kleinen Ort Beebe in Arkansas herabgefallen, las Wisting. Die Vögel seien in Labors in Georgia untersucht worden und Experten seien zu dem Schluss gekommen, dass die Vögel an inneren Blutungen und Schäden an lebenswichtigen Organen verendeten, ohne dass es eine Erklärung für dieses Mysterium gebe. Weiter berichtete die Zeitung über ein ähnliches Ereignis in einem kleinen Dorf in Brasilien.
    »Der Artikel hat mehr Klicks bekommen als euer Mordfall«, sagte Line und nahm den Laptop wieder an sich.
    Sie unterhielten sich noch über andere Themen, bis Line sich verabschiedete und zurück zur Hütte fuhr. Wisting hatte noch eine halbe Stunde Zeit, ehe er wieder ins Büro musste.
    »Ich finde, du solltest es tun«, sagte er zu Suzanne. »Das Café eröffnen. Verwirkliche deinen Traum vom guten Leben.«
    »Ich lebe das gute Leben«, antwortete sie, setzte sich neben ihn aufs Sofa und legte den Kopf an seine Brust. »Das habe ich immer so empfunden. Zumindest wenn ich mich mit denen vergleiche, die in denselben Krieg hineingeboren wurden wie ich. Die nicht geflüchtet sind, sondern immer noch in Hunger und Armut leben. Ich habe das große Los gezogen, William.«
    Er nickte. Suzanne war in Afghanistan geboren und hatte in Paris an der Sorbonne studiert, als die Sowjets in ihr Heimatland einmarschierten. Sie war nicht dorthin zurückgekehrt, und vieles wäre jetzt anders, wenn sie sich damals nicht genau so entschieden hätte. Trotzdem glaubte er zu verstehen, was sie meinte. Die Frage, was man mit dem Rest seines Lebens machen sollte, drängte sich oft auf, wenn man schon ein paar Jahre hinter sich hatte.
    »Was ist das gute Leben?«, fragte er.
    »Darauf gibt es keine Antwort«, meinte sie. »Dazu sind wir alle zu verschieden, wir haben ganz verschiedene Träume und Vorstellungen. Für die meisten bedeutet es Geld und Wohlstand, aber für mich bedeutet es, einen Traum zu verwirklichen.«
    »Was hindert dich daran?«
    »Der Weg ist schwierig. Ich weiß nicht, ob ich es wage, mich für einen Weg zu entscheiden.« Sie wandte ihm das Gesicht zu. »Was ist das gute Leben für dich?«
    Er überlegte und kam zu dem Ergebnis, dass es um Glück ging, aber er war sich nicht sicher, wo es zu finden war. Er war kein Träumer, er zog es vor, das Leben so zu genießen, wie es war.
    »Für mich«, sagte er gedehnt. »Für mich bedeutet es wohl, an meinem Stammtisch zu sitzen, ganz hinten im Goldenen Frieden .«

28
    Der Weg war immer lang und schwierig.
    Wisting saß an seinem überladenen Schreibtisch und dachte daran, was Suzanne über das Erreichen des Ziels gesagt hatte. Was den Fall betraf, ging es darum, sich durch Berichte und andere Unterlagen zu arbeiten, auf dem Weg zu einer Lösung, von der man nie sicher sein konnte, dass es sie gab.
    Er las abwechselnd die Informationen, die im Computer gespeichert waren, und diejenigen, die ihm als Originaldokumente vorlagen, und ihm wurde plötzlich bewusst, dass er Zufriedenheit dabei empfand. Das Leben war am besten, wenn er das Gefühl hatte, etwas Wichtiges zu

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