Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
Vom Netzwerk:
Dielenbretter in die Flammen, die ohne Rauch brannten. Wisting konnte die Wärme des Feuers bis an die Hüttenwand spüren, vor der er stand. Der gesamte blutige Fußboden im Flur war entfernt worden. Das Gleiche galt für die Wände, die Eingangstür und den gesplitterten Türrahmen.
    Wisting fragte nach R ø nningen. Keiner der Tischler hatte ihn gesehen.
    Er wählte die Nummer, die er in seinem Handy gespeichert hatte, und diesmal wurde sofort abgenommen.
    »Gibt es was Neues?«, fragte der Moderator.
    »Ich bin draußen bei Ihrer Hütte«, erklärte Wisting. »Die Tischler sind bei der Arbeit.«
    »Das ist gut. Die Versicherungsfirma hat zugestimmt, dass wir alles herausreißen können.«
    »Sind Sie wieder in Oslo?«
    »Wieso?«
    »Ich habe noch ein paar Fragen und außerdem brauchen wir Ihre Fingerabdrücke.«
    »Aha. Ich kann zu Ihnen kommen, aber erst spät am Nachmittag«, sagte Thomas R ø nningen und schlug eine Uhrzeit vor.
    Sie machten den Termin aus und Wisting steckte das Handy zurück in die Jackentasche. Gegenüber kreiste ein Schwarm schwarzer Vögel über einem Felsplateau im dichten Niederwald. Sie waren wie er, dachte er. Auf der Jagd nach irgendetwas.
    Statt hinauf zu seinem Auto zu gehen, folgte er dem Pfad in östlicher Richtung bis zur nächsten Hütte. Dicker schwarzer Rauch stieg aus dem Schornstein, wurde vom Wind gepackt und löste sich auf.
    Wisting hatte die Aussage gelesen, die Jostein Hammersnes gegenüber Benjamin Fjeld gemacht hatte. Zusammengefasst lief sie darauf hinaus, dass er am Freitagabend zu seiner Hütte gefahren war, so wie er es seit dem Sommer an jedem Wochenende tat. Er war frisch geschieden, aber bis zur endgültigen Haushaltstrennung wohnte er noch bei seiner Frau und den beiden Töchtern von sieben und neun Jahren in einer Villa in Bærum. Die Wochenenden waren lang und schwierig und er zog es vor, sie allein in seiner Hütte zu verbringen.
    Die schriftliche Aussage enthielt keine Angaben zu seinem kurzen Aufenthalt bei einer Tankstelle an der Ortseinfahrt Larvik. Vermutlich war das ein Detail, das er für unwesentlich hielt. Das war es auch. Der Kassenbon, der neben einem Pfad unterhalb des Parkplatzes gefunden worden war, hatte sich als Blindspur erwiesen.
    Wisting erkannte ihn von dem Überwachungsvideo wieder, als Hammersnes ihm die Tür öffnete und ihn einließ. Er trug jetzt andere Kleidung: eine locker sitzende Trainingshose und einen dicken Pullover.
    Es war eine Hütte, die der Familie von Jostein Hammersnes wahrscheinlich seit Generationen gehörte, ohne jemals modernisiert worden zu sein. Die Stube war im Bauernstil möbliert, mit Klingelsträngen, Kupfer und alten Küchengerätschaften an den Wänden. Die Luft war feuchtkalt und erfüllt von einem fremden, strengen Geruch, dessen Herkunft Wisting sich nicht erklären konnte.
    Jostein Hammersnes ging zu einem offenen Kamin, stocherte ein wenig in der Glut herum und brachte sie zum Aufflammen, ehe er zwei Holzscheite nachlegte.
    Wisting nahm an einem langen Kiefernholztisch Platz. Auf dem Tisch verteilt lagen Zeitungen der letzten Tage. Eine davon war bei einem Artikel aufgeschlagen, der ein Foto von Christine Thiis zeigte.
    »Sie sind heute nicht ins Büro gefahren?«, fragte Wisting.
    Jostein Hammersnes setzte sich ihm schräg gegenüber an den Tisch. »Ich wäre gern woanders, aber es sind Herbstferien und meine Frau, oder Exfrau, ist Lehrerin. Wir sind gerade erst geschieden und wohnen immer noch unter einem Dach. Es ist unerträglich, sich dauernd zu begegnen. Außerdem kann ich das meiste hier draußen per Breitbandanschluss erledigen. Ich bin ja eigentlich gern hier, aber die Gemütlichkeit ist jetzt dahin.«
    »Inwiefern?«
    »Der Sachschaden nach dem Einbruch ist nicht sehr groß, aber die Vorstellung, dass jemand hier war, ist fast unerträglich. Das überschattet all die guten Erinnerungen an meine Zeit hier mit Else und den Kindern, und auch die von damals, als ich selbst noch ein Kind war. Jetzt ist es mir egal, dass ich die Hütte verkaufen muss, um die Scheidung zu bezahlen.« Jostein Hammersnes senkte den Blick auf die Tischplatte. Als er wieder aufsah, waren seine Augen feucht. »Es ist leer hier«, sagte er mit müder Stimme.
    Sein Blick ging an Wisting vorbei zu einem Regal an der Wand. Ein heller Fleck auf dem Paneel verriet, dass dort etwas ausgestellt gewesen war.
    Hammersnes erhob sich. »Sie haben sogar meinen Glastropfen mitgenommen«, sagte er und ging zu dem leeren Regal. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher