Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
Vom Netzwerk:
wonach er suchte.
    WW: Wo waren Sie gestern Abend und heute Nacht?
    TR: Sie würden vielleicht denken, dass ich das beste Alibi der Welt habe, eine Million Fernsehzuschauer; aber in Wirklichkeit ist das, was alle auf dem Bildschirm sehen, eine Aufzeichnung. Die Sendung wird am Nachmittag aufgenommen, aber ungeschnitten gesendet.
    WW: Wo waren Sie also?
    TR: Zu Hause. Allein.
    WW: Wir haben versucht, Sie anzurufen, und heute Morgen sogar einen Streifenwagen zu Ihnen geschickt.
    TR: Ich habe alles abgestellt. Handy, Türklingel, Fernseher. Alles. Ich war gegen sieben zu Hause und habe geschrieben. Bis fast fünf Uhr, dann bin ich ins Bett gefallen. Als ich aufstand, habe ich das Handy eingeschaltet, die Nachrichten gelesen und Sie angerufen.
    Wisting wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Scrollte abwärts bis zu der Passage über die Mautstation, die an der Gemeindegrenze zwischen Larvik und Sandefjord lag. Der Zeitpunkt war 20.17 Uhr. Thomas R ø nningen hatte am Abend des Mordes beide Mautstationen durchfahren, auf direktem Weg von Oslo nach Larvik.
    Er ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken.
    Der bekannte Fernsehmoderator hatte bei ihm zu Hause gesessen und ihm direkt ins Gesicht gelogen.
    Er las die wörtliche Abschrift noch einmal durch. Genau darum ging es bei einer Vernehmung: eine detaillierte Aussage zu bekommen, um anschließend die Lüge aufdecken zu können. Allerdings fehlte ein Detail in der Aussage. Es bestand die Möglichkeit, dass jemand anderes den Wagen gefahren hatte, während R ø nningen zu Hause saß und schrieb. Aber diese Möglichkeit hielt Wisting für sehr gering. Er hatte unzählige gute Lügner und schlechte Schauspieler vor sich gehabt und kannte sich aus. Thomas R ø nningen war einer von ihnen. Nur dass es ihm nicht gelang, seine Lüge in das Puzzlespiel einzupassen, dessen Grundlage die Informationen und Daten des Polizeidistrikts Oslo bildeten.
    Er steckte die Finger hinter die Brillengläser und rieb sich die Augen. Wenn die Komplexität zunahm, wurden die möglichen Lösungen unübersichtlich, das war fast immer so.
    Er beschloss, den Computer auszuschalten, nach Hause zu fahren und ein paar Stunden zu schlafen.
    Da fiel sein Blick auf den Bildschirm und er entdeckte etwas anderes, das seinen Atem stocken ließ.
    Knapp drei Minuten vor Thomas R ø nningens Audi hatte ein schwarzer Golf die Mautstation passiert. Als Eigentümer war Elcon Leasing angeführt, aber Wisting erkannte das Kennzeichen wieder.
    Das war Lines Auto.
    Die Gedanken wirbelten durch seinen Kopf wie Herbstlaub, flogen auf und segelten an seinem Bewusstsein entlang, ohne dass er sie festhalten konnte.
    Freitagabend um 19.29 Uhr war er im Begriff gewesen, das Essen zu beenden, das er zusammen mit Suzanne und Line im Shazam Station eingenommen hatte. Tommy Kvanter war beschäftigt gewesen und hatte ihnen keine Gesellschaft leisten können.
    Ihm wurde bewusst, dass er mit offenem Mund dasaß, ohne zu atmen. Daraufhin schluckte er etwas Luft, schaffte es aber nicht, den kalten, harten Klumpen zu verdrängen, der sich in seiner Brust bildete.

29
    Die dunklen Wolken hingen tief, eine gerade Linie direkt über dem Horizont. Es lag noch eine Nebelwand über dem Meer, aber der Wind blies stetig breitere Risse hinein.
    Line hatte den Abend zuvor damit verbracht, eine Handlungsskizze für das Buch zu entwerfen, das sie schreiben wollte. Die Idee war gut, fand sie. Sie hatte beschlossen, dass ihre Hauptfigur eine Journalistin sein sollte, genau wie sie selbst, die erfährt, dass sie ein großes Haus am äußeren Rand des Schärengartens geerbt hat. Das Haus steht seit vielen Jahren leer, aber als sie es zum ersten Mal betritt, steht auf dem Tisch eine Vase mit frischen Blumen und die Uhr an der Wand zeigt die richtige Zeit. Im ersten Stock ist eine der Türen abgeschlossen und keiner der Schlüssel, die ihr übergeben wurden, passt. Als sie die Tür endlich aufbekommt, öffnet sie damit auch ein großes Mordmysterium.
    Sie hatte bis weit in die Nacht hinein geschrieben, war aber trotzdem früh vom Kreischen der Möwen aufgewacht.
    Das Frühstück bestand an diesem Morgen aus einer Tasse Tee und einer Scheibe Knäckebrot mit Streichkäse. Sie las noch einmal, was sie am Abend zuvor geschrieben hatte, und war nicht mit allem zufrieden. Aber auf manche Abschnitte war sie richtig stolz. Danach zog sie sich wetterfest an, nahm zwei Fotoapparate mit und ging hinaus. Der Wind war frisch und das Meer unruhig. Die Wellen schlugen hart

Weitere Kostenlose Bücher