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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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habe ihn von meinem Vater bekommen, in dem Sommer, in dem ich acht wurde, nachdem ich es geschafft hatte, über den Sund zu schwimmen.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Meer. »Das ist der einzige Preis, den ich jemals gewonnen habe«, fuhr Hammersnes fort. »Ich war ein guter Schwimmer, habe aber nie Sport getrieben. Mein Vater war ein Glaskünstler. Er hatte zu Hause in H ø vik eine eigene Werkstatt. Ich konnte ihm stundenlang zusehen, wie er fließendes, glühendes Glas in die schönsten Formen verwandelte.«
    Jostein Hammersnes räusperte sich.
    »Der Tropfen gehörte zum Schönsten, was er je geschaffen hat«, erklärte er. »Er behandelte das Glas, als wäre es ein edles Metall. Schmolz es, formte, schliff und polierte es mit Liebe und Sorgfalt. Als er ihn mir gab, sagte er, dass ich alle meine Träume darin sammeln könne. Dass ich den Tropfen mit Gedanken und Hoffnungen füllen könne, ohne dass er voll würde oder überliefe. Jetzt ist alles weg.«
    Wisting ließ dem Hüttenbesitzer Zeit, seine Gefühle in Worte zu fassen, ehe er mit seinen Fragen begann.
    »Haben Sie unterwegs Halt gemacht, bevor Sie hier an der Hütte ankamen?«
    »Ich war bei Meny in Holmen und habe ein bisschen eingekauft. Ich hatte am Morgen meine Sachen gepackt und Überstunden gemacht, bevor ich losgefahren bin.«
    »Sie haben sonst nirgends angehalten? An einer Tankstelle oder so?«
    »Doch«, fiel es Hammersnes ein. »Ich habe an einer Esso- Tankstelle gehalten, als ich von der Autobahn abgefahren bin.«
    »Warum?«
    »Das mache ich fast immer so. Halte unterwegs und kaufe mir was vom Imbiss, dann brauche ich hier nicht mehr selbst zu kochen.«
    »Was haben Sie gekauft?«
    »Ein Würstchenmenü und eine Schachtel Pastillen. Ist das wichtig? Der Polizist, mit dem ich am Samstag gesprochen habe, hat nicht so genau gefragt.«
    »Zunächst war es auch nicht wichtig, aber dann haben wir hier draußen einen Kassenbon von Esso gefunden«, erklärte Wisting. »Es bestand die Möglichkeit, dass entweder der Täter oder das Opfer ihn verloren hatten. Oder dass es eine dritte, natürliche Erklärung dafür gab.«
    Er ging die restliche Aussage des Mannes durch. Versuchte, seiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen, ob er Autos gesehen oder Geräusche gehört hatte, die möglicherweise im Zusammenhang mit den Einbrüchen oder dem Mord standen. Am Ende musste er feststellen, dass Hammersnes nichts Hilfreiches beizutragen hatte.
    Als er das Gespräch beendete, waren die Flammen im Kamin erloschen. Wisting stand auf und verabschiedete sich.
    »Ich begleite Sie hinaus«, sagte Hammersnes. »Ich brauche frische Luft.«
    Zwei Paar sommerliche Kleinmädchenschuhe standen neben Hammersnes’ großen Stiefeln im Flur. Wisting dachte daran, dass die Mädchen nicht mehr über die Dünen laufen oder am Wasser spielen konnten, wenn die Hütte verkauft war. Eine Unterschrift der zerstrittenen Eltern und alle zukünftigen Sommererinnerungen waren ausgelöscht.
    Hammersnes zog seine Stiefel an und folgte Wisting nach draußen. Sie gingen stumm hintereinander den Pfad entlang, bis Wisting abbog und Kurs auf sein Auto nahm.

32
    Jemand hatte eine Ausgabe von Se og H ø r mit der Sommerreportage über Thomas R ø nningens Hütte besorgt. Die Zeitschrift lag aufgeschlagen im Besprechungsraum. Auf dem größten Foto saß der Moderator nahe der Kamera am Ende eines langen Tisches, auf dem Krabben und Krebse bereitstanden. Die Gäste tranken Weißwein. Der Himmel im Hintergrund war blau. Sommeridylle in Vestfold lautete die Überschrift.
    Zimmer für Zimmer führte Thomas R ø nningen die Leser durch seine Hütte. Auf einem der Fotos saß er in einem wuchtigen Armsessel vor einem gut gefüllten Bücherregal und blätterte in einem Kriminalroman. Der Artikel berichtete, R ø nningen schreibe selbst an einem Buch, dessen Inhalt und Thema vorläufig geheim seien.
    Der beliebte Fernsehmoderator habe gern Besuch in seiner Sommeridylle, wusste das Blatt zu berichten und zählte eine Reihe von Namen auf, die in etwa mit der Liste übereinstimmten, die Wisting von R ø nningen diktiert worden war.
    Er hatte die Reportage halb gelesen, als das Telefon ihn unterbrach. Es war Leif Malm von der Sektion Nachrichtengewinnung im Polizeidistrikt Oslo.
    »Unsere Fahnder haben Rudi Muller verloren«, teilte er mit. »Er ist vor einer halben Stunde von zu Hause weggefahren. Das war viel früher, als bei ihm üblich, und wir waren schwach besetzt. Er war im Deli de Luca am

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