Winterfest
eigene Ermittlungsgruppe dafür eingerichtet hatte. Das Projekt hatte aus offensichtlichen Gründen den Beinamen Grenzenlos erhalten. Die Gruppe bestand aus erfahrenen Ermittlern, die Personenfahndung quer durch alle Polizeidistrikte betrieben. Die innovative Arbeit hatte gute Ergebnisse gebracht. Ein Teil des Erfolgs war auf die nahezu formlose Zusammenarbeit mit der Polizei in mehreren osteuropäischen Ländern zurückzuführen. In der Gruppe war Kompetenz vorhanden, die sich als wertvoll für die Mordermittlung erweisen konnte. Aber bis dahin war es noch weit.
Wisting versank in Gedanken. Die Ereignisse der letzten Zeit zeugten von einer Kriminalität, die er so bisher kaum erlebt hatte. Vollkommen desillusioniert, skrupellos, zynisch.
Wir hinken hinterher, dachte er. Wenn die Landschaft sich ändert, müssen wir die Karte ändern. Und zwar schleunigst.
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Der Leiter der Sektion Grenzenlos hieß Martin Ahlberg. Er hatte eine Glatze, einen kleinen Schnauzer und große dunkle Augen, die Wisting durchdringend anstarrten.
»Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ihr mich früher anruft«, sagte er, legte einen Aktenhefter auf den Konferenztisch und setzte sich. »Die Serieneinbrüche in Ferienhäuser passen genau in das Aktionsmuster mehrerer der Banden, mit denen wir uns befassen.«
»Danke, dass du so schnell kommen konntest«, erwiderte Wisting und machte Ahlberg mit Christine Thiis, Espen Mortensen und Nils Hammer bekannt. »Wir haben Hinweise, die in andere Richtungen als Osteuropa deuten«, erklärte er und berichtete kurzgefasst, was die Quelle der Osloer Sektion Nachrichtenbeschaffung an Informationen geliefert hatte.
»Ist es sicher, dass es um Kokain geht?«, fragte Ahlberg.
Wisting musste zugeben, dass ihnen nur die Angaben der Quelle vorlagen.
»Ich kann mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, dass Litauer derart in den Kokainhandel verstrickt sind«, sagte Ahlberg. »Vielmehr kommt der überwiegende Teil der Amphetamine auf dem norwegischen Markt aus illegalen Labors in Osteuropa und Litauen hat mittlerweile die Rolle als Hauptlieferant übernommen. Polen ist weiterhin das wichtigste Ursprungsland, aber die meisten derjenigen, die geschnappt werden, sind aus Litauen.«
Martin Ahlberg goss sich Kaffee aus der Kanne ein, die auf dem Tisch stand, während er voller Überzeugung weitersprach.
»Immer mehr Drogen kommen mit den Fähren über die Ostsee, aber die etablierteste Route führt von Litauen und Polen durch Deutschland hinauf nach Dänemark, über die Øresundbrücke und weiter durch Schweden nach Norwegen.« Er trank einen Schluck und fuhr fort: »Aber diese Milieus sind gut organisiert, quer über alle Landesgrenzen hinweg. An einer Stelle in Nordeuropa gibt es einen Kreuzungspunkt mit Kokain, das aus Spanien kommt. Die Litauer sind markante Akteure auf dem Rauschgiftmarkt und könnten einen letzten Abschnitt übernommen haben. Vergesst nicht, dass wir von gut organisierten, kriminellen Milieus sprechen. Sie verstehen es, sich die Vorteile eines Großbetriebs auf die gleiche Weise zunutze zu machen wie jede beliebige andere Organisation.«
»Was wisst ihr über Darius Plater?«, fragte Wisting.
»Eine ganze Menge.«
Martin Ahlberg öffnete den Aktenhefter und holte die Fotokopie eines litauischen Reisepasses heraus. Wisting erkannte die Gesichtszüge des schmächtigen Mannes aus dem Ruderboot wieder. Der Name war in Großbuchstaben gedruckt.
»Darius Plater war Mitglied einer auf Vermögensdelikte spezialisierten Bande von Kriminellen aus den Außenbezirken von Vilnius. Sie waren in den vergangenen drei Jahren mindestens sechs Mal in Norwegen. Letztes Jahr wurde Plater in Østfold festgenommen, zusammen mit diesem Mann.«
Martin Ahlberg legte die Fotokopie eines weiteren Passes auf den Tisch. Der Mann auf dem Foto hieß Teodor Milosz, ein kräftiger Mann mit Stiernacken, platter Nase und kleinen Augen.
»Sie hatten draußen auf Hvaler fünf große Außenbordmotoren für den Abtransport klargemacht. Beide erhielten dreißig Tage Haft und wurden nach Verbüßen der Strafe abgeschoben. Danach waren sie noch zwei Mal hier.«
Wisting nickte, er erinnerte sich daran.
»Ihr dürft nicht vergessen, dass die Diebstähle je nach Saison variieren«, fuhr Ahlberg fort. »Im Sommer ist Hochsaison für große Außenbordmotoren. Im Herbst werden bevorzugt winterfest gemachte Ferienhütten ausgeraubt. Im Winter und im Frühling liegt der Schwerpunkt bei Wohnungen und Autos.«
»Wann sind sie das
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