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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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unserer Annahmen über den Haufen«, schloss er seinen Bericht.
    Leif Malm stimmte ihm zu.
    »Seid ihr sicher, dass es um Kokain geht?«, fragte Wisting.
    »Ganz sicher«, erwiderte Malm. »Wir haben Teilbeschlagnahmungen aus früheren Partien.«
    »Können die Litauer dahinterstecken?«
    »Sie könnten den Schmuggelpart übernommen haben. Wir haben wenig Quelleninformationen darüber, aber wir wissen, dass südamerikanische Drogenkartelle versuchen, ein Netz von Transportwegen über die osteuropäischen Staaten aufzubauen. Viele der Routen nach Westeuropa sind aufgeflogen und durch die europäische Polizeizusammenarbeit gesprengt worden. Auf den östlichen Märkten sieht man Möglichkeiten, auf nicht allzu wachsame Polizisten zu treffen, oder sie lassen sich vielleicht leichter bestechen und korrumpieren.«
    »Ich fliege morgen Vormittag nach Litauen«, sagte Wisting. »Können wir uns vorher treffen?«
    »Wann immer Sie wollen«, erwiderte Malm entgegenkommend. »Wir müssen die Quelle im Laufe des Abends in Position bringen. Hoffentlich haben wir bis morgen irgendwelche Neuigkeiten.«

37
    Es regnete zu stark, als dass Line Lust gehabt hätte, nach draußen zu gehen. Außerdem war es kälter geworden und nun wurde es auch schon dunkel.
    Das Holz, das sie im Kamin aufgeschichtet hatte, wollte nicht brennen und qualmte nur. Anstatt weiterhin zu probieren, es anzuzünden, hatte sie sich einen dicken Pullover angezogen.
    Sie hatte versucht zu schreiben, hing aber immer noch am selben Satz fest. Sie war rastlos und musste zugeben, dass sie sich einsam fühlte.
    An den ersten Abenden draußen in der Hütte hatte sie nicht probiert, den alten Campingfernseher zu benutzen, der auf einem Hocker an der Ostwand stand. Jetzt hatte sie ihn in Gang gebracht, aber auf dem Bildschirm war nichts anderes zu sehen als ein Rauschen und ihr fiel ein, dass der analoge Empfang abgeschafft worden war und sie einen Decoder brauchte.
    Sie überlegte, ob sie ein paar alte Freundinnen aus ihrer Zeit in Stavern anrufen sollte. Sie ging im Kopf einige Namen aus der Schule und der Handballmannschaft durch, kam dann aber zu dem Schluss, dass die Freundinnen an einem Montagabend sicher etwas anderes vorhatten.
    Es war noch nicht zu spät, um in die Stadt zu fahren und in ein Café zu gehen. Sie saß gern allein an einem Cafétisch und las Zeitung oder ein Buch oder machte sich Notizen auf einem Schreibblock. Leute um sich herum zu haben, gab ihr das Gefühl, in Gesellschaft zu sein, während sie sich mit ihrem eigenen Kram beschäftigte. Doch jetzt war ihr nicht danach. Es wäre schön gewesen, wenn sie jemanden gehabt hätte, der zu Hause auf sie wartete, aber nicht so.
    Sie ging zum Fenster und zog die Schultern hoch. Das bleiche Licht der Außenlampe an der Wand fiel in einem Halbkreis auf die Veranda. Am äußersten Rand des Lichtkegels lag schon wieder ein toter Vogel. Es war der fünfte. Er musste innerhalb der letzten Stunde dazugekommen sein. Sie überlegte, ob sie hinausgehen und ihn ins Gebüsch werfen sollte, ließ es aber sein. Im Laufe der Nacht würde ihn sich wahrscheinlich irgendein hungriges Tier holen.
    Hinter dem gelben Lichtschimmer stand die Dunkelheit schwer und drückend. Es war unmöglich zu sehen, was dort draußen war. Bis auf das gleichmäßige Rauschen der Wellen, die sich am Strand brachen, war es absolut still.
    Das Mobiltelefon klingelte und riss sie aus ihren schweren Gedanken.
    Es war ihr Vater.
    Ihre Stimme klang hohl, als sie sich meldete.
    »Wie geht’s?«, wollte ihr Vater wissen.
    »Gut«, antwortete sie und setzte sich. »Hör auf, dir Sorgen zu machen. Ich komme bestens zurecht.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, natürlich. Aber schön, dass du anrufst.«
    »Ich verreise für ein paar Tage dienstlich«, fuhr ihr Vater fort. »Suzanne hätte bestimmt gern ein bisschen Gesellschaft im Haus.«
    Line lächelte über die Besorgnis ihres Vaters. »Sie ist es gewohnt, allein zu sein. Sie hat doch viele Jahre lang allein gelebt, bevor sie dich kennenlernte.«
    »Das Angebot steht jedenfalls.«
    »Danke. Wohin fährst du?«
    »Nicht sehr weit. Ich bin telefonisch erreichbar.«
    Sie begriff, dass er befürchtete, sie könnte es weitererzählen und irgendwer bei ihrer Zeitung würde herausfinden, dass eine Wende in den Ermittlungen bevorstand. Es musste etwas Wichtiges sein, wenn er beschlossen hatte, die Reise selbst zu machen.
    »Was machst du so?«, fragte ihr Vater, um das Thema zu wechseln.
    Line machte es sich auf

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