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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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hinauf in sein Büro.
    Sie hatten zwei Systeme für den Umgang mit neuen Dokumenten zu dem bearbeiteten Fall. Eins, in dem alle Berichte eine fortlaufende Nummer bekamen, und eins, bei dem sie nach einem festen System eine eigene Dokumentennummer erhielten, je nachdem, welche Informationen das Dokument enthielt: Zeugenvernehmungen, kriminaltechnische Berichte, Tatortdokumente oder Informationen zum Opfer. Ersteres war ein praktisches Arbeitsmittel, das immer auf dem Laufenden war, während das zweite so ausgearbeitet worden war, dass es dem Staatsanwalt und den Verteidigern vorgelegt werden konnte, wenn es zur Anklage kam.
    Wisting suchte einen Kopiensatz heraus, der nach fortlaufender Nummerierung geordnet war. Es waren bereits so viele Unterlagen zusammengekommen, dass sie schon auf zwei Ringordner mit den Ziffern I und II verteilt worden waren.
    Er verstaute beide Ordner in seinem Handgepäck, befürchtete jedoch, dass es damit schwerer sein würde, als es für die Kabine zugelassen war.
    Bevor er das Büro verließ, sah er seine E-Mails durch, fand aber nichts von Interesse. Dann löschte er das Licht und schloss sein Büro ab.
    Um neun Uhr bog er in den Grorudveien ein. In einer Nebenstraße sah er die Ruine des abgebrannten Reihenhauses in den grauen Himmel ragen. Die Anliegerstraße war immer noch für den Durchgangsverkehr gesperrt. Wisting hielt vor einem der Sperrböcke und stieg aus dem Wagen. Aschegeruch hing in der feuchten Luft.
    Die Feuerwehrleute waren abgerückt und hatten eine unheimliche Stille hinterlassen, die wie ein Leichentuch über dem ausgebrannten Reihenhaus lag. Tatorttechniker in weißen Kapuzenoveralls und mit Gesichtsmasken, die sie vor giftigen Gasen schützen sollten, stocherten in der Asche.
    Hinter ihm bog ein Auto in die Straße. Der Hauptkommissar der Sektion Nachrichtenbeschaffung im Polizeidistrikt Oslo beendete ein Telefonat, bevor er ausstieg. Sie wechselten stumm einen Händedruck, dann gingen sie gemeinsam hinüber zu der Brandruine.
    Die Tatorttechniker waren dabei, sich durch die oberste Schicht von Brandresten und eingestürztem Material zu arbeiten. Leif Malm winkte einen zu sich heran. Der Mann kam zu ihnen und schob die Atemschutzmaske hinauf in die Stirn.
    »Habt ihr was gefunden?«, fragte Malm.
    »Das braucht Zeit«, erwiderte der andere. »Wir arbeiten uns Schicht für Schicht nach unten vor.«
    Wisting hatte nichts anderes erwartet. Branduntersuchungen waren eine zeitraubende Angelegenheit. Die Tatorttechniker hielten die ganze Zeit, während sie sich durch den Schutt arbeiteten, Ausschau nach Brandmustern auf den Überresten von Wänden und Fußböden. Alles, was sie nach und nach aufdeckten, wurde fotografiert und in Skizzen festgehalten. Jeder Rußbelag konnte ihnen sagen, wo es in einem Zimmer schnell und wo langsam, wo es hoch oder flach gebrannt hatte. Unter bestimmten Umständen konnten sie auch herauslesen, in welche Richtung das Feuer sich bewegt hatte; aufwärts von der Stelle aus, wo es begonnen hatte, oder abwärts, nachdem oberhalb alles ausgebrannt war. Diese Arbeit würde nicht Stunden dauern, sondern Tage.
    »Irgendeine Vermutung über die Brandursache?«, fragte Malm weiter.
    »Das kommt ganz darauf an, was wir finden, aber bei der Kraft und Geschwindigkeit, mit der es hier gebrannt hat, können wir wohl davon ausgehen, dass das Feuer absichtlich gelegt wurde.«
    »Falls ein Mensch da drinnen läge, wie viel würde von dem noch übrig sein?«, fragte Wisting.
    »Nicht viel, schätze ich.«
    »Genug, um etwas zu Todesursache oder – zeitpunkt sagen zu können?«, wollte Malm wissen.
    Der Techniker schüttelte den Kopf. »Das kommt ganz darauf an, wie viel noch da ist. Einiges lässt sich noch aus den verkohltesten Überresten eines Körpers herauslesen, aber der genaue Todeszeitpunkt gehört in der Regel nicht dazu. Das setzt voraus, dass man den Verwesungsgrad von Muskel proteinen, Aminosäuren und flüchtigen Fettsäuren untersucht, aber all das wird bei einem Brand in der Regel vernichtet.«
    »Wie sieht’s mit der Identifizierung aus?«
    »Identifizierung anhand des Gebisses ist wohl das Einfachste. Das liefert uns auch rasche Antworten. Falls wir die Zahnarztunterlagen von Vermissten bekommen, ist es innerhalb weniger Stunden erledigt. Aber zuerst müssen wir natürlich die Leiche haben.«
    »Was ist mit DNA?«
    »Das braucht mehr Zeit, bis zu ein paar Wochen. Außerdem müssen wir Referenzproben von Familienangehörigen einholen.«
    »Aber

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