Winterjournal (German Edition)
lahmsten, schmutzigsten, bekritzeltsten Aufzug von ganz New York, schraubst du deine Erwartungen um einiges herunter. Das Luxusbordell entpuppt sich als schäbige Einzimmerwohnung, und nur zwei Frauen sind da, die Chefin Kay, eine dicke Schwarze, die auf die fünfzig zugeht und deinen Freund mit einer herzlichen Umarmung begrüßt, als ob sie alte Bekannte seien, und eine viel Jüngere, ebenfalls schwarz, die zwanzig oder zweiundzwanzig sein könnte. Die beiden sitzen auf Hockern in der winzigen Küche, die vom Schlafzimmer durch einen dünnen Vorhang abgetrennt ist, der nicht ganz auf den Boden reicht, beide sind in bunte Seidengewänder gehüllt, und zu deiner großen Erleichterung ist die Jüngere äußerst attraktiv, mit einem hübschen, vielleicht gar schönen Gesicht. Kay nennt den Preis (fünfzehn Dollar? Zwanzig Dollar?) und fragt dich und deinen Freund, wer von euch als Erster möchte. Nein, nein, lacht dein Freund, er sei nur so mitgekommen (zweifellos legen die Mädchen in Queens bereitwilliger ihre Kleider ab als die Mädchen in New Jersey), und dann erklärt dir Kay, du kannst es dir aussuchen, sie oder ihre junge Mitarbeiterin, und als du dich nicht für Kay entscheidest, macht sie keinen beleidigten Eindruck – zuckt bloß die Achseln, streckt lächelnd die Hand aus und sagt: «Erst das Geld, Schätzchen», worauf du in deine Hosentasche greifst und die fünfzehn oder zwanzig Dollar herausnimmst, die du ihr schuldig bist. Du und die Junge (zu schüchtern oder zu nervös, vergisst du, sie nach ihrem Namen zu fragen, mit der Folge, dass sie in all diesen Jahren für dich namenlos geblieben ist) geht nach nebenan, und Kay zieht den Vorhang hinter euch zu. Das Mädchen führt dich zu dem Bett in der Ecke, streift das Gewand ab und wirft es auf einen Stuhl, und zum ersten Mal in deinem Leben bist du in Gegenwart einer nackten Frau. Einer schönen nackten Frau, einer jungen Frau mit einem bemerkenswert schönen Körper, mit prächtigen Brüsten, prächtigen Armen und Schultern, prächtigem Hintern, prächtigen Hüften, prächtigen Beinen, und nach drei langen Jahren voller Enttäuschungen und Fehlschläge beginnst du dich glücklich zu fühlen, so glücklich wie kaum einmal, seit du in die Pubertät gekommen bist. Das Mädchen sagt dir, dass du dich ausziehen sollst, und dann liegt ihr zwei zusammen auf dem Bett, beide nackt, und eigentlich willst du sie fürs Erste nur anfassen und küssen und ihre glatte Haut spüren, ihre wunderbar glatte Haut, so glatt, dass du schon zitterst, wenn du sie nur berührst, aber Küssen auf den Mund steht nicht auf dem Programm, denn Prostituierte küssen ihre Kunden nicht auf den Mund, und Prostituierte haben auch kein Interesse am Vorspiel, kein Interesse daran, zu berühren oder berührt zu werden, weil es einfach Spaß macht, zu berühren und berührt zu werden, denn Sex ist unter diesen Umständen kein Spaß, sondern Arbeit, und je früher der Kunde den Job beendet, für den er bezahlt hat, desto besser. Sie weiß, es ist dein erstes Mal, du bist ein absoluter Neuling ohne jede Erfahrung, und sie geht freundlich und geduldig mit dir um, sie ist ein guter Mensch, das spürst du, und wenn sie sofort mit dem Ficken anfangen will, kein Problem, du bist mehr als bereit, dich nach ihr zu richten, denn dass du bereit bist, ist keine Frage, deine Erektion steht schon seit dem Augenblick, da sie das Gewand abgelegt hat, und daher steigst du, als sie sich auf den Rücken legt, mit Vergnügen auf sie drauf und lässt sie deinen Penis an den Ort führen, nach dem er sich seit so vielen Jahren verzehrt hat. Gut, alles ist gut, es fühlt sich so gut an, wie du es dir immer vorgestellt hast, nein, sogar noch besser, viel besser, und alles ist gut in diesen ersten Sekunden, wo du das Ziel schon in Reichweite glaubst, aber dann hörst du Kay und deinen Freund in der Küche reden und lachen, keine drei oder vier Meter entfernt, und kaum wird dir das bewusst, bist du abgelenkt, und sobald deine Gedanken abzuschweifen beginnen und du nicht mehr ganz bei der Sache bist, spürst du plötzlich, wie gelangweilt das Mädchen ist, wie lästig ihr das alles ist, und obwohl du auf ihr liegst, ist sie nicht bei dir, sie ist in einer anderen Stadt, in einem anderen Land, und dann verliert sie die Geduld und fragt dich, ob du nicht bald fertig bist, und du sagst ja, natürlich, und zwanzig Sekunden später fragt sie wieder, und du sagst ja, natürlich, aber als sie das nächste Mal spricht, sagt
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