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Winterjournal (German Edition)

Winterjournal (German Edition)

Titel: Winterjournal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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wissen, mag sein, andererseits hätte man euch beide damals nicht einmal annähernd als erwachsen bezeichnen können, denn im Innersten wart ihr immer noch Heranwachsende, und die ungeschminkte Wahrheit ist, dass ihr überhaupt keine Chance hattet.
    [ 15 .] 2230 Durant Avenue; Berkeley, Kalifornien. Eine kleine Wohnung (zwei Zimmer und Kochnische) gegenüber dem College-Footballstadion, in Fußnähe zum Campus der Universität. Alter: 29 . Rastlos, unzufrieden, ohne zu wissen, warum und womit, zunehmend eingeengt von der allzu winzigen New Yorker Wohnung, kam deine Rettung in Form eines jähen Geldsegens (Stipendium von der Ingram Merrill Foundation), wodurch sich euch andere Möglichkeiten eröffneten, andere Lösungen des Problems, wie und wo ihr leben konntet, und da ihr das Gefühl hattet, es sei an der Zeit, einmal neue Wege zu beschreiten, nahmt ihr zwei in New York einen Zug nach Chicago, stiegt dort in einen anderen Zug Richtung Westküste, fuhrt durch die endlosen Ebenen von Nebraska, die Rockys, die Wüsten von Utah und Nevada und traft nach drei Tagen in San Francisco ein. Das war im April 1976 . Ihr wolltet Kalifornien ein halbes Jahr lang ausprobieren und sehen, ob ihr nicht vielleicht für immer dort hinziehen könntet. Du hattest einige gute Freunde in der Gegend, du warst im Jahr zuvor schon einmal da gewesen und mit einem positiven Eindruck zurückgekommen, und wenn du es vorzogst, das Experiment lieber in Berkeley als in San Francisco durchzuführen, dann nur, weil die Mieten dort niedriger waren und du kein Auto hattest und ein Leben ohne Auto auf dieser Seite der Bay leichter zu handhaben war. Die Wohnung war nichts Besonderes, eine flache Schachtel, in der es bei geschlossenen Fenstern undeutlich nach Schimmel und Moder roch, aber nicht unbewohnbar, nicht schlimm. Du hast jedoch keine Erinnerung mehr daran, was dich veranlasst hat, sie zu mieten, denn kurz nach deiner Ankunft in der Stadt, irgendwann in der ersten Woche, wurdest du, vorübergehend bei Freunden wohnend, zu einer Partie Softball eingeladen, und im zweiten Inning nahm der Runner, während du ein gutes Stück von der Baseline entfernt mit dem Rücken zu ihm auf einen Wurf aus dem Outfield wartetest, alle seine Kräfte zusammen und rammte dich mit voller Wucht von hinten, schmetterte dich mit einem mörderischen Football-Block (falsche Sportart) zu Boden, und da er groß gewachsen war und du den Stoß nicht kommen sahst, schlug dir, noch ehe du den Boden berührtest, von dem Anprall der Kopf in den Nacken, was ein schweres Schleudertrauma zur Folge hatte. (Der Angreifer, bekannt für seine Unsportlichkeit und oft «das Tier» genannt, war ein hochkultivierter Intellektueller, der später Bücher über die niederländische Malerei des siebzehnten Jahrhunderts schrieb und eine Reihe deutscher Gedichte übersetzte. Wie sich herausstellte, hatte er bei einem deiner früheren Professoren studiert, einem Mann, den ihr beide sehr bewundertet, und als er von dieser Gemeinsamkeit erfuhr, war er, das Tier, zutiefst zerknirscht und sagte, wenn er gewusst hätte, wer du bist, hätte er dich niemals umgerempelt. Diese Entschuldigung ist dir immer ein Rätsel geblieben. Wollte er damit sagen, dass er nur ehemalige Studenten von Angus Fletcher mit seinen schmutzigen Tricks verschonte und alle anderen als Freiwild betrachtete? Du kratzt dir immer noch ratlos den Kopf.) Deine Freunde brachten dich in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses, wo man dir eine gepolsterte Halskrause mit Klettverschluss verpasste und die Einnahme starker Dosen Valium verordnete, eines muskelentspannenden Medikaments, das du noch nie genommen hattest und hoffentlich nie wieder wirst nehmen müssen, denn mochte es auch den Schmerz wirksam bekämpfen, so ließ es dich fast eine Woche lang in einen Zustand stumpfsinniger Benommenheit versinken und löschte die Erinnerung an Vorkommnisse, kaum hatten sie sich zugetragen, so vollständig aus, dass im Kalender deines Lebens nun einige Tage fehlen. Nicht eine einzige Begebenheit dieser Zeit, in der du mit deiner Frankenstein-Halskrause durch die Gegend getappt bist und dieses Amnesie verursachende Medikament geschluckt hast, ist dir im Gedächtnis geblieben; als ihr in die Wohnung an der Durant Avenue eingezogen seid, hast du deine erste Frau dafür gelobt, eine so günstig gelegene Bude aufgetrieben zu haben, dabei hatte sie sich ausführlich mit dir beraten, bevor ihr gemeinsam die Entscheidung traft, dort einzuziehen. Ihr

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