Winterkaelte
konnte das sogar verstehen. Es war nicht immer leicht seine Gefühle öffentlich zu zeigen. Besonders nicht, wenn sie nicht normal waren.
Als sie die Toilette verließen drückte Lina ihre Hand.
»Tut mir leid«, flüsterte sie.
»Kein Problem. Es ist immer schwer sich mit einem Partner des gleichen Geschlechts öffentlich zu zeigen.«
Lina drückte ihren Kopf gegen Andreas Schulter.
»Willst du immer noch fortgehen oder wollen wir zu mir? Ich wohne hier ganz in der Nähe.«
»Das klingt verlockend, aber glaubst du nicht, du gehst das ein bisschen schnell an?«
»Vermutlich ja«, seufzte Lina, »Aber andererseits will ich nur noch deine Haut an meiner spüren und dich küssen. Ich will dich schmecken und verwöhnen.«
Andrea bekam eine Gänsehaut und ließ sich überreden tatsächlich mit zu Lina zu gehen. Sie hatte das Gefühl, sie würde diese Entscheidung nicht bereuen. Und damit sollte sie recht behalten.
5.
Fünf Monate. So lange war es nun her, seit Elena die Staaten verlassen hatte. Fünf lange Monate ohne Phil Saint Cool, ihren Freund. Sein Wirklicher Name war Ronald Wale, doch in ihrem Business brauchte es einen klingenden Namen um die wahre Identität wenigstens etwas zu verschleiern. Und natürlich war ein knackiger Name immer gute Werbung für einen Film.
Elena hatte ihn nicht vermisst. Keine Sekunde lang. Sie hatte als Hostess weitergearbeitet, während Lea ihre Sleeves vollendete.
Immer nach Ladenschluss schaute Elena im 'All American Tattoo and Piercing' vorbei. Bereits am Abend nachdem sie gemeinsam im Pub gewesen waren, hatte Lea ein Design fertiggestellt, das Elena auf Anhieb gefiel. Die junge Tätowiererin zeigte nach Elenas Geständnis über ihren Beruf keinerlei Anzeichen auf Abstand gehen zu wollen, im Gegenteil. Sie war sehr interessiert und fragte sie regelrecht aus. Im Gegenzug erzählte sie von ihrer schwierigen Kindheit in Südbayern und der Gewalt in ihrem Elternhaus.
Elena bedauerte, was Lea hatte durchmachen müssen und wunderte sich, wie lange sie es doch daheim ausgehalten hatte. Ihr Vater wollte aus den beiden Schwestern gute, wie er es nannte, Christenmenschen machen und schleifte sie jeden Sonntag in die Kirche.
Lea erzählte von Gebeten nach dem Aufwachen, vor dem Essen, beim Schlafengehen und so weiter. Als Strafe für freches Verhalten verprügelte er sie mit seinem Gürtel und sie musste von ihm nackt kniend Rosenkränze zur Buße beten.
Erst Jahre später wurde ihr wirklich klar, was ihr Vater eigentlich dabei genau getan hatte. Sie mussten sich immer nackt auf die spiegelblanken Fliesen seines Arbeitszimmers setzen und die Augen fest geschlossen, den Kopf tief gesenkt halten. Nur ein einziges Mal hatte sie gewagt aufzusehen und zu blinzeln. Und dabei konnte sie beobachten, wie die Hand ihres Vaters in seinem Schoß lag und sich rhythmisch auf und ab bewegte. Während er auf seine Töchter blickte, wurde sein Atem lauter und schneller.
Vermutlich bewahrte sie der Tod ihrer Schwester davor von ihm vergewaltigt zu werden. Bei einem Unfall, den er verursacht hatte, starb ihre Schwester und die Mutter landete im Rollstuhl. Ihr Vater war ein gebrochener Mann, der erst seinen Glauben verlor, nur um ihn dann noch stärker zu leben.
Von da an wurde das Leben unerträglich. Lea wurde wie eine Sklavin gehalten. Sie musste Kochen, Putzen, sich um ihre Mutter kümmern und das Haus am Laufen halten, während ihr Vater nicht einmal mehr Arbeiten ging und von früh bis spät in seinem Arbeitszimmer betete.
Als sie mit 16 ihre Ausbildung zur Kranken- und Altenpflegerin begann zog sie endlich aus und kam in ein Internat. Sie kam an den Wochenenden kaum mehr nach Hause und als ihr Vater ihr erstes Piercing sah, meinte er, sie bräuchte nie wieder zurückzukommen und seither hatte sie weder ihn noch ihre Mutter gesehen.
Sie erzählte, während sie bis spät in die Nacht hinein tätowierte. Der Besitzer des Ladens erlaubte ihr nach Ladenschluss noch zu arbeiten und einer der Tätowierer lieh ihr seine Ausrüstung.
In drei Sitzungen bearbeitete Lea jeweils den einen und danach den anderen Arm. Elena genoss jede Sekunde davon, wenn auch die Schmerzen teilweise unerträglich wurden. Dazwischen musste sie immer vier Wochen pausieren. Lea wären sechs oder acht sogar lieber gewesen, doch Elena drängte darauf. Allerdings verlief die Heilung gut und nach etwas mehr als acht Wochen waren beide Arme fertig.
Der Linke führte das Rankenmotiv weiter, welches Lea mit der bereits
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