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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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Stimme der Hexe unter dem Flügelschlagen, und es lag kein Mitleid darin. Nur kalter Hohn.
    Komm, komm nur zu mir, mein hübsches Kind. Beug dich über mich, wie du es schon einmal getan hast, ja, ich weiß, dass du es warst. Ich konnte dich auch mit geschlossenen Augen sehen. Magst nicht hören, nicht wahr? Hast deinen eigenen Kopf? Treibst dich herum an Orten, an denen du nichts verloren hast. Ich kenne solche wie dich, neugieriges Mädchen. Oh ja, ich kenne sie. Und jetzt sieh dich nur an, so ängstlich, wie ein Wickelkind! Bist du denn jetzt gar nicht mehr neugierig? Nein? Oh doch, ich glaube schon.
    Bück dich, zieh den Schleier beiseite. Tust du es nicht freiwillig, dann werde ich dich dazu zwingen! Und nun – sieh mich an, ja, sieh mich an.
    Bin ich nicht – schön?!
    Johanna schrie, bis ihre Stimme versagte.

    Am Morgen fühlte Sophie sich wie gerädert. Ihr Rücken war verkrampft vom stundenlangen Hocken auf der Eisenbettkante, ihre Arme bleischwer vom Auswringen der nassen Tücher. Ihre Hände waren aufgequollen wie die einer Waschfrau, plump und eiskalt. Mühevoll wischte sie sich lose Haarsträhnen aus der Stirn und sah im trüben Morgenlicht zu ihrer Herrin hinüber.
    „Ich glaube“, sagte sie schwerfällig wie eine Betrunkene, „jetzt steigt das Fieber wenigstens nicht weiter.“
    Blanka von Rapp saß steif auf dem zu niedrigen Kinderstuhl. Ihr Gesicht war grau. Sie wandte den Blick von der Mädchengestalt im Bett ab, drehte den Kopf auf dem schlanken Hals so langsam, als sei ein Scharnier über Nacht eingerostet.
    „Ja“, antwortete sie heiser, „ich denke, Sie haben recht. Und sie schläft endlich – endlich.“
    „Nicht nur sie.“ Sophie zwang sich zu einem Lächeln. Sie nickte zur Zimmerecke hinüber, dort, wo vor einer Weile Lieschen auf dem Fußboden eingedöst war, den Rücken gegen die Wand gelehnt, einen Arm um das Holzreh geschlungen.
    Blankas Miene blieb ausdruckslos.
    „Ich wecke sie gleich“, sagte Sophie schnell. „Irgendjemand muss sich um das Frühstück kümmern. Frau Herrman ist sicher noch nicht da, es ist ja noch so früh. Johanna wird eine Stärkung brauchen, wenn sie aufwacht. Und Sie auch, gnädige Frau.“
    Es war unverschämt, das zu sagen. Trotzdem löste sich ein kleines Lächeln auch in Frau von Rapps starrem Gesicht.
    „Wir beide“, sagte sie und streichelte sacht über den Unterarm der schlafenden Johanna. „Wir beide, Fräulein Sophie. Ich weiß nicht, wie ich diese Nacht ohne Sie überstanden hätte. Wenn“, das Lächeln erlosch so schnell, wie es gekommen war, „wenn sie denn tatsächlich überstanden ist.“
    Sophie sah zum Bett. Das Fieber hielt Johanna weiter im Griff. Glührot wie Augustäpfel die Wangen, die sonst so sanft gerötet waren, die bleiche Stirn schweißnass. Aber das Mädchen war wirklich endlich eingeschlafen, lag ganz ruhig auf den zerwühlten Laken. Die Wadenwickel umschlangen die dünnen Beine wie Verbände, das Nachthemd war bis zu den Knien hochgeschoben. Die magere Brust hob und senkte sich, schnell, zu schnell immer noch, aber wenigstens regelmäßig. Und der Atem, der daraus hervorströmte, klang nicht mehr ganz so rau. Oder redete sie es sich nur schön?
    „Ich bin nicht sicher“, sagte sie ehrlich. „Ich wünschte, ich wäre es.“
    In den vergangenen endlosen Stunden hatte sie sich hundertmal das Gehirn zermartert, sich an all die anderen kleinen Krankenbetten versucht zu erinnern, an denen sie schon gesessen hatte. Was war ein Kinderfräulein wert, wenn es in solchen Situationen keinen Rat wusste? Aber sie war kein Arzt. Und Kinder bekamen so leicht Fieber. Es schnellte in die Höhe aus irgendeinem ganz nichtigen Anlass, und ein paar Stunden später verschwand es wieder, als wäre es nie da gewesen. Ein feuerrotes Gespenst im Kinderzimmer …
    Zögernd sagte sie: „Ich habe es schon ein-, zweimal erlebt, dass eine einfache Erkältung plötzlich so ausartete. Sie hat einen roten Hals und kann manchmal kaum schlucken … Es könnte eine Mandelentzündung dahinterstecken. Sie ist jetzt ruhig, das heißt, wir können es etwas später mit Halswickeln versuchen. Und gibt es noch Jodtinktur im Haus? Wenn man den Rachen damit einpinselt, kann das helfen.“
    „Ja“, sagte Blanka von Rapp leise, „wenn Sie das für richtig halten. Ich will gern alles tun, was Sie vorschlagen, Fräulein Sophie. Ich fühle mich so – so hilflos.“
    Sophie sah sie dort sitzen, kerzengerade aufgerichtet immer noch nach dieser albtraumhaften

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