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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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habe immer noch keine klare Vorstellung, was Sie von mir wollen. Überhaupt keine Vorstellung, eigentlich.“
    „Wir brauchen den Hüttrauch, Frollein. Das Arsenik. Zum Klären der Schmelze. Sie erinnern sich? Wir experimentieren doch mit verschiedenen Stoffen. Ich hatte es Ihnen eigentlich erzählt.“
    „Arsenik?“ Sophie runzelte die Stirn. „Ist das nicht giftig?“
    „Oh ja“, sagte Willem und lächelte strahlend, „einer von Ihren kleinen Fingerhüten voll könnte einen Mann umbringen. Deshalb isses ganz gut, dass es im Herrenhaus lagert. So gibt es keine Unfälle. Oder dass was wegkommt und dann keiner weiß, wer’s genommen hat, bis irgendein Hausdrachen plötzlich das Zeitliche segnet … Na, Sie verstehen schon. Im Tresor hat er’s, der Gnädige, es is ja nicht viel, was wir brauchen für die paar Versuche. Und da isses auch sicher vor solchen, die herumschnüffeln.“ Er tippte sich vielsagend an die Nase.
    Gift, dachte Sophie, Gift und Spionage. Du liebe Güte! Solche Geschichten fand man nicht in der Gartenlaube mit ihren beschaulichen Erzählungen. Aber in den Klassikern. Wenn man sie nur richtig las. Der Himmel der Griechen war voll von Mördern und Spionen …
    „Der Hüttenmeister wollte kommen, um es zu holen“, unterbrach Willem ihre Gedanken, „aber es is grade heikel, und so schickt er mich. Weil ich ja auch schon mal da war, Frollein. Und er meint, die Damen erschrecken dann nicht so.“
    „Wie nett von ihm“, sagte Sophie ironisch, aber Willem überhörte es glatt. Er schlug sich die Schirmmütze zurück auf den Kopf, rieb die Hände aneinander und fragte:
    „Also?“
    Sophie verschränkte die Arme vor der Brust. „Also? Hören Sie mal, ich kann Ihnen doch nicht einfach pfundweise Gift aushändigen. Abgesehen davon habe ich natürlich keinen Schlüssel zum Tresor.“
    „Aber die Gnädige ja vielleicht?“ Er blinzelte hoffnungsvoll. „Frollein, wir müssen sehen, dass wir voranmachen. Das Glas wartet nicht. Wenn wir zu spät anfangen, verdirbt die ganze Schmelze, und wir können von vorn anfangen.“
    Das, dachte Sophie bei sich, würde einem Kaufmann wie Herrn von Rapp bestimmt nicht gefallen.
    Sie seufzte. „Es ist gut. Ich werde sie fragen.“
    Er tippte sich an die Mütze, und dann zwinkerte er ihr plötzlich zu, so überraschend, dass sie nicht rechtzeitig wegsehen konnte.
    „Ich wusste, dass ich auf Sie zählen kann.“
    Einen Moment stand Sophie sprachlos da. Dieses Zwinkern! So – unverschämt, so direkt! Als sei sie ein Hausmädchen wie Lieschen! So herausfordernd – verspielt … Sie schnappte ein paarmal nach Luft.
    „Schön“, brachte sie schließlich heraus, „schön, ich werde dann …“
    Sie wandte sich ab, reckte das Kinn hoch und spürte doch schon wieder die Röte in ihrem Gesicht. Als die Haustür hinter ihr zugefallen war, legte sie sich die kalten Hände auf die Wangen. Das half – wenigstens äußerlich.

    Im Arbeitszimmer ihres Mannes durchwühlte Blanka wenig später hastig die Schreibtischschubladen. Warum gab es nur so viele davon! Und warum musste es ausgerechnet ein winziger Schlüssel sein, den sie suchte? Sie kannte ihn, hatte ihn in Johanns Hand gesehen, wenn er den schweren Tresor hinter dem Jagdbild aufschloss, das an der Wand neben dem Schreibtisch hing. Solche Bilder gab es in Serien zu bestellen, immer passend zum jeweiligen Zimmer. Jagdszenen für das Herrenzimmer, Blumenstillleben und Landschaften für den Damensalon … Sie wusste, sie richtete eine heillose Unordnung an in Johanns Papieren, seinen Briefen und Stempeln. Aber Fräulein Sophie stand wartend im Türrahmen, und Blanka hatte verstanden, dass es sehr eilig war. Der Schlüssel! Wo konnte er nur stecken?
    „Und Sie sagen“, fragte sie, während sie unter einem Stapel Briefumschläge tastete, „die Männer drüben brauchen – was war es noch genau?“
    „Arsenik“, antwortete Sophie. Es klang etwas unbehaglich. Blanka nickte abwesend und versuchte, die Schublade ganz herauszuziehen. „Ah ja, ich kenne das Wort von irgendwoher. Irgendwo … Ich komme jetzt nicht darauf. Und Sie sind sicher, dass Johann – dass Herr von Rapp es bei sich aufbewahrt?“
    „Der Arbeiter ist sicher. Ich schätze, er wird wohl Bescheid wissen.“
    „Wahrscheinlich. Obwohl, er könnte auch etwas falsch … Warten Sie.“ Blanka hörte auf, an der Lade zu zerren. So kam sie nicht weiter. Sie war übermüdet, voller Sorgen um Johanna. Aber sie hatte auch Pflichten als Ehefrau. Sie musste

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