Winterkrieger
Schlag«, sagte er. »Wie fühlst du dich?«
Sie lächelte müde. »Mir ist ein bisschen übel, aber ich bleibe am Leben, Antikas Karios. Ich habe die Karten hier. Vielleicht möchtest du sie gerne studieren.« Er nahm sie und entrollte die erste. Ulmenetha beugte sich darüber. »Die ventrische Armee zieht von hier heran«, sagte sie und deutete mit dem Finger auf die Karte, »sie sind in Sichelformation ausgeschwärmt, da sie erwarten, dass wir uns zum Meer durchschlagen. In den nächsten beiden Tagen werden sie alle Straßen gesperrt haben, die nach Lem führen.«
»Die Karte hat keinen vernünftigen Maßstab«, sagte er. »Ich kann nicht sagen, wie weit wir von den Ruinen entfernt sind.«
»Weniger als sechzig Kilometer«, sagte sie. »Nach Südwesten.«
»Ich werde mir eine Route überlegen«, sagte er. Er warf einen Blick auf Axiana, die gerade außer Hörweite war. »Es wäre für die Welt besser gewesen, wenn Bison mit dem Kind gesprungen wäre«, meinte er leise.
»Nein«, widersprach sie. »Der Dämonenherrscher hat bereits mit dem Großen Zauber begonnen. Der Tod des Kindes wird ihn vollenden, mit oder ohne Opfer.«
Antikas lief plötzlich ein kalter Schauer über den Rücken. Er wandte sich ab und dachte daran, wie seine Finger nach der Kehle des Kleinen getastet hatten.
»Nun«, sagte er schließlich, »das verleiht dem Tod des alten Mannes wenigstens einen goldenen Schein.«
»Eine solche Tat braucht keinen Schein«, erklärte sie.
»Vielleicht nicht«, gab er zu. Dann ging er zum Feuer. Die kleine Sufia saß still bei Conalin und Pharis. Sie krabbelte zu Antikas hinüber. »Wird er zu uns zurück fliegen?« fragte sie. »Ich gucke immer in den Himmel.«
Antikas holte tief Luft und sah Conalin an.
»Eines Tages kommt er zurückgeflogen«, sagte er dem Kind, »wenn wir ihn am meisten brauchen.«
Kapitel elf
Nogusta merkte kaum, dass er ritt. Jemand saß hinter ihm und hielt ihn im Sattel. Er öffnete die Augen und sah, dass die Gruppe langsam durch ein fruchtbares Tal zog. Voran ritt Antikas Karios auf Sternenfeuer. Nogusta war leicht verärgert, aber dann fiel ihm ein, dass der Ventrier das Tier auf seinen Befehl hin ritt. Sternenfeuer war ein lebhaftes Tier, und Nogusta war nicht in der Verfassung, ihn zu reiten.
Er blickte auf die Hände hinunter, die ihn festhielten. Sie waren schlank und weiblich. Er tätschelte die Hände und flüsterte: »Danke.«
»Brauchst du eine Pause?« fragte Ulmenetha.
»Nein.« Sein Blick verschwamm, und er lehnte sich zurück gegen die Frau.
Bison war tot, und der Schmerz des Verlustes traf ihn tief. Er schwankte im Sattel und spürte, wie Ulmenethas Arme ihn hielten. Dann glitt er in Träume von der Vergangenheit hinüber. Der Tag verging im Dämmen. Als sie haltmachten, um den Pferden eine Rast zu gönnen, half Kebra ihm herunter. Nogusta wusste nicht, wo er war, nur dass die Sonne warm auf sein Gesicht schien und das Gras sich kühl anfühlte. Es war schön hier, und er wollte am liebsten für immer schlafen. Irgendwo, nicht weit entfernt, weinte ein Säugling. Dann hörte er ein Kind singen. Er schien sich zu erinnern, dass das Kind von einem Fuhrwerk getötet worden war, aber das war offensichtlich nicht der Fall. Er war erleichtert – als ob ihm eine Last von der Seele genommen worden wäre.
Irgendwann flößte man ihm eine dicke Suppe ein. Er erinnerte sich an den Geschmack, wusste aber nicht, wer ihn gefüttert hatte, geschweige denn, warum er nicht selbst gegessen hatte.
Dann sah er seinen Vater. Sie saßen alle im Hauptraum des Hauses, seine Brüder und Schwestern, seine Mutter und seine alte Tante. »Ich zeige euch jetzt ein bisschen Zauberei«, sagte sein Vater und erhob sich aus dem alten Stuhl mit dem Roßhaarbezug, den er so liebte. Er hatte den Talisman vom Hals genommen. Die Kette war lang, das Gold glitzerte im Schein der Laternen. Vater ging zu dem ältesten von Nogustas Brüdern und versuchte, ihm die Kette über den Kopf zu streifen. Doch die Kette schrumpfte und passte nicht über den Kopf des Knaben. Nacheinander wunderten sich die Brüder über die Magie. Dann kam er zu Nogusta. Die Kette glitt mühelos über seinen Kopf, der Talisman ruhte auf seiner Brust.
»Was ist der Trick dabei?« fragte sein ältester Bruder.
»Das ist kein Trick«, sagte Vater. »Der Talisman hat gewählt. Das ist alles.«
»Das ist ungerecht«, sagte der Älteste. »Ich bin der Erbe. Er sollte mir gehören.«
»Ich war auch nicht der Erbe«,
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