Winterkrieger
Lügner! Ich sehe dich vor mit stehen und atmen.« »Allerdings. Heute Abend öffnete ich ein Tor, Anharat um mich zu dir zu bringen. Aber wo ist heute Abend? Ist es viertausend Jahre in der Vergangenheit? Bin ich bei der Armee der Drei Könige, und werden wir beide, du und ich, morgen über dem Schlachtfeld kämpfen? Du wirst verlieren. Dann werde ich mich auf den Großen Zauber vorbereiten. Du kannst mir helfen, ihn zu vollenden. Unser Volk kann eine Welt für sich haben!«
»Das hier ist die Welt die ich will!« knurrte Anharat und zog den Dolch. Er tat einen Satz nach vorn und stieß mit der Klinge nach seinem Bruder. Emsharas wich aus. Seine Gestalt schimmerte. Dann war er fort.
Bakilas saß still in der Dunkelheit. Die Illohir brauchten keinen Schlaf. Es bestand keine Notwendigkeit dass sich ihr Gewebe erholen musste. Sie wurden durch Magie zusammengehalten, deren Brennstoff die Nahrung war. Der Anführer der Krayakin brauchte keine Ruhe. Er wartete lediglich an diesem Ort, weil sein Pferd erschöpft war.
Um die Wahrheit zu sagen, war er nicht überrascht gewesen, dass seine Brüder besiegt wurden. Ihre Aufgabe war von Anbeginn an fehlerhaft gewesen. Die Priesterin hatte recht. Es war kein Zufall, dass ein Nachfahre Emsharas’ das Baby bewachte. Hier war eine große Strategie am Werke, deren Bedeutung Bakilas jedoch nicht verstand.
Was mache ich jetzt? überlegte er. Wohin gehe ich?
Er stand auf, ging zur Hügelkuppe und blickte auf die Ruinen von Lem hinunter. Er konnte sich noch an die Zeit erinnern, als diese Stadt wie ein Juwel gewesen war. das mit hunderttausend Lichtem in der Nacht glitzerte.
Er warf einen Blick zu den Sternen empor, rief sich ihre Namen ins Gedächtnis und dachte an die Zeit, als er sie gestaltlos besucht hatte. In diesem Augenblick wünschte er, niemals das Geschenk des Fleisches erhalten zu haben.
Anharat und Emsharas hatten den Illohir dieses Geschenk gebracht. Die Zwillinge, die Götter des Glanzes. Ihre vereinte Macht hatte die Verbindung zwischen Wind und Erde geschaffen. Sie waren die ersten gewesen. Emsharas hatte menschliche Gestalt angenommen, während Anharat Flügel gewählt hatte. Die Krayakin waren die nächsten.
Wer hatte damals ahnen können, dass dieses Geschenk zugleich ihr Fluch sein würde?
Es stimmte, das Sonnenlicht hatte große Schmerzen verursacht, und das Wasser der Flüsse war todbringend gewesen, aber es gab so viele andere Freuden, die sie genossen, und eine Ewigkeit die sie Zeit hatten, um sie zu genießen.
Bis Emsharas sie alle verraten hatte.
Selbst jetzt noch, nach viertausend Jahren des Nachdenkens, konnte Bakilas nicht einmal ansatzweise seine Gründe verstehen. Genauso wenig wie er verstand, was aus ihm geworden war. Wo konnte sich ein Illohir verstecken? Auch heute noch konnte Bakilas alle seine Brüder in der Leere des Nirgendwo spuren. Es war unmöglich, seinen Aufenthalt nicht zu kennen. Bakilas spürte die mächtige, pulsierende Gegenwart von Anharat in einem Lager ein paar Kilometer entfernt. Und da Anharat ein Windgeborener gewesen war, konnte er seinen Geist quer durch das Universum spüren. Wo aber hielt sich Emsharas auf?
Eines Tages werde ich die Antwort darauf kennen, dachte er. Eines Tages, wenn das Universum stirbt und die Illohir mit ihm.
Bakilas schauderte. Tod. Das Ende des Seins. Es war ein erschreckender Gedanke. Die Menschen konnten die wahre Angst vor Sterblichkeit nicht ansatzweise begreifen. Sie lebten ständig in der Aussicht auf ihren Tod. Sie begriffen seine Unausweichlichkeit. Ein paar kurze Jahre, und sie waren nicht mehr. Schlimmer noch, sie bekamen den Tod während ihrer kurzen Existenz ständig zu spüren. Jedes Jahr brachte ihnen neue Falten und das langsame Schwinden ihrer Kräfte. Ihre Haut wurde schlaff, ihre Knochen trockneten aus, bis sie zahnlos und altersschwach ins Grab sanken. Was konnten sie schon von unsterblicher Furcht wissen?
Keiner der Illohir hatte jemals den Tod kennen gelernt.
Bakilas erinnerte sich an die Große Geburt im Kommenden Licht als die ersten Töne des Liedes des Universums in der Dunkelheit erklangen. Es war eine Zeit der Entdeckung und Harmonie, eine Zeit der Kameradschaft. Es war Leben. Empfindsam und neugierig. Alles wurde zu jener Zeit geboren, die Sterne und dann die Planeten, die Lavameere und schließlich die großen Ozeane.
Damals hatte es Freuden anderer Art gegeben, die Zunahme von Wissen und Bewusstsein. Aber es hatte keine Schmerzen gegeben, keine
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