Winterkrieger
augenblicklich.
Die Vision wechselte. Plötzlich war es Nacht, und zwei Monde hingen am Himmel, einer als Sichel, der andere voll. Und er sah sich selbst an der Waldgrenze auf einem Berg unter fremden Sternen stehen. Eine Frau ging auf ihn zu. Es war Ushuru. Sie lächelte.
Auch diese Vision verblasste, und Nogusta schwebte hoch über einer Ebene. Er sah, wie die Infanterie der Drenai einen Angriff auf die Mitte der cadischen Armee unternahm. Skanda führte den Angriff. Als die Cadier zurückwichen, ertönte ein Trompetensignal, und Skanda gab Malikada ein Zeichen, dass die Kavallerie die rechte Flanke angreifen sollte. Doch Malikada rührte sich nicht, und die Kavallerie blieb wo sie war und hielt sich weiter am Berg.
Nogusta konnte die Verzweiflung in Skandas Augen sehen, die Ungläubigkeit. Dann dämmerte ihm, dass er verraten und verloren war.
Und dann begann das Gemetzel.
Nogusta erwachte in kalten Schweiß gebadet seine Hände zitterten. Bison und Kebra schliefen, und das Licht des frühen Morgens kroch langsam über die Berge. Der schwarze Krieger warf seine Decke von sich und stand geräuschlos auf. Kebra regte sich und schlug die Augen auf.
»Was ist los, mein Freund?«
»Skanda ist tot und wir sind in Gefahr.«
Kebra stand auf. »Tot? Das kann nicht sein.«
»Er wurde von Malikada und den Ventriern verraten. Sie standen dabei, während unsere Kameraden niedergemacht wurden.« Langsam, jede Einzelheit erinnernd, erzählte er Kebra von seinen Visionen.
Der Bogenschütze lauschte schweigend. »Den Verrat und die Schlacht kann ich begreifen«, sagte er, als Nogusta geendet hatte. »Aber dämonische Reiter mit Augen wie Blut? Was soll das bedeuten? Das kann doch nicht echt sein, oder? Genauso wenig, wie mit Ushuru unter zwei Monden zu wandeln.«
»Ich weiß es nicht, mein Freund. Aber ich glaube, die Reiter werden kommen. Und ich werde mich ihnen stellen.«
»Nicht du allein«, sagte Kebra.
Kapitel sechs
Ihr Leben lang hatte Ulmenetha viele Ängste gekannt. Krankheit und Tod ihrer Mutter hatten sie mit einem Entsetzen vor Krebs erfüllt, das ihr schlimme Alpträume bescherte und sie zitternd und in kalten Schweiß gebadet erwachen ließ. Kleine, huschende Nagetiere erschreckten sie so, dass sie sich nicht mehr rühren konnte. Aber vor allem der Tod ihres geliebten Vian hatten ihr Angst vor der Liebe selbst gemacht so dass sie Zuflucht im Konvent gesucht hatte.
Jetzt saß sie in ihrem Zimmer, betrachtete die Sterne und dachte über das Wesen der Angst nach.
Für Ulmenetha begann das Entsetzen in dem Moment, in dem sie die Kontrolle verlor. Sie war machtlos gewesen, als ihre Mutter starb. Sie konnte nur in stillem Kummer zusehen, wie ihr Fleisch verfiel und ihr Geist floh. Als Folge davon hatte Ulmenetha sich immer Sorgen um Vian gemacht achtete darauf, dass er ordentlich aß und dass er immer warm angezogen war, wenn im Winter der Wind kalt blies. Er hatte über ihr Geglucke gelacht Ulmenetha hatte gerade das Abendessen bereitet als die Nachricht von seinem Tod sie erreichte. Auf der Suche nach einem verlorenen Schaf, war er auf dem Eis ausgerutscht und von einem Bergpfad gestürzt Sie hätte es nicht verhindern können, aber das änderte nichts daran, dass sich Schuldgefühle in ihre Seele fraßen. Sie war es gewesen, die ihn gedrängt hatte, nach dem Schaf zu suchen. Schuldgefühle, Reue und Trauer hatten sie überwältigt.
Und so war sie vor ihren Ängsten davongelaufen und hatte sogar absichtlich darauf geachtet dass sie fett wurde, damit Männer sie nicht mehr attraktiv fanden. Nur, damit sie niemals wieder die wahren Schrecken des Lebens erleiden müsste.
Doch jetzt war sie hier, in einem Schlafgemach des Palastes, und die Dämonen kamen näher.
Was kann ich tun, fragte sie sich. Die erste Antwort war, wie immer, davonzulaufen, den Palast zu verlassen und sich auf die lange Reise zurück nach Drenan ins Konvent zu begeben. Der Gedanke daran, wegzulaufen und diese Ängste hinter sich zu lassen, war ungemein verlockend. Sie hatte Geld und konnte sich eine Passage auf einem Wagen zur Küste buchen und von dort aus ein Schiff nach Dros Purdol nehmen. Seeluft auf ihrem Gesicht. Der Gedanke an Flucht ließ sie ruhiger werden.
Dann stellte sie sich Axianas Gesicht vor, die großen Kinderaugen und das liebe Lächeln. Und dann kam die Erinnerung an Kalizkans verfaulendes, madenzerfressenes Fleisch.
Ich kann sie nicht zurücklassen! Wieder setzte die Panik ein. Was kannst du gegen die Macht
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