Winterkrieger
schweren Vorhänge zurück. Das Fenster war vergittert. Jetzt erfüllte Licht den Raum, und sie sah ein paar Spielsachen auf dem staubigen Boden. An der gegenüberliegenden Wand lag eine Strohpuppe einsam auf den nackten, staubigen Brettern. »Geh weiter«, befahl sie der Königin. Am anderen Ende des Schlafsaals befand sich eine weitere Tür. Sie wurde von einem Riegel versperrt. Ulmenetha hob den Riegel an und zog die Tür auf. Dahinter lag ein zweiter Schlafsaal.
Drei Kinder kauerten an der gegenüberliegenden Wand. Ein rothaariger Knabe von vielleicht vierzehn oder fünfzehn Jahren trat vor die beiden Mädchen, ein Messer in der Hand. Er war schrecklich dünn, und Ulmenetha konnte offene Geschwüre auf seinen dünnen Armen erkennen. Eins der Mädchen trat vor. Vielleicht ein Jahr älter als der Junge, war auch sie entsetzlich mager und in Lumpen gekleidet, doch sie hielt ein langes, spitzes Stück Holz in der Hand, das sie von einem der Betten losgerissen hatte. Gemeinsam bildeten sie einen Schutzschild vor dem kleinsten Kind, einem blonden Mädchen von etwa vier Jahren.
»Einen Schritt näher und wir bringen euch um«, sagte das Mädchen mit dem hölzernen Speer.
Es gab keinen anderen Ausgang aus dem Raum.
Hinter ihnen knackte ein Bodenbrett. Ulmenetha fuhr herum und sah den Mann mit dem gebrochenen Genick. Mit dem Messer in der Hand kam er durch den Schlafsaal.
Sie hob den langen Holzriegel auf, der die Tür gesichert hatte. Als das Dämonenwesen näher kam, rannte sie darauf zu und schwang das Holz wie eine Keule. Sie traf ihn an der Schulter. Sein Arm fuhr hoch, seine Faust donnerte in Ulmenethas Gesicht Zurückgeworfen verlor sie ihre Keule, die zu Boden fiel. Der Dämon war über ihr. Sie warf sich zurück und entging so seinem ersten Stich, dann krabbelte sie über ein Bett. Seine roten Augen starrten sie an, aber während er weiterging, rollte der Kopf auf dem gebrochenen Genick hin und her. Er taumelte. Dann packte er den Kopf mit der linken Hand und drehte ihn an den Haaren, bis die Augen sich wieder auf die Priesterin richteten. Dann kam er näher.
Der junge Rotschopf sprang das Wesen an und stach mit seinem Messer auf sein Gesicht. Der Dämon fegte ihn beiseite. Währenddessen war das größere Mädchen hinter ihn geschlichen und stieß ihm das zersplitterte Holz in den Rücken. Er bog sich durch. Ulmenetha kauerte nieder, hob den Holzriegel auf und stürzte sich auf den Mann. Sie benutzte den Riegel als Ramme und stieß ihn in seine Brust, so dass er gegen die Wand geschleudert wurde. Als er gegen die Wand taumelte, kam es Ulmenetha so vor, als ob seine Brust explodierte. Sie blinzelte – und dann sah sie, dass der primitive Speer, den das Mädchen sich gemacht hatte, durch seinen Rücken gedrungen war und ein riesiges Loch in seine Brust gerissen hatte. Der Körper glitt an der Wand entlang ab, dann stürzte er zu Boden.
Augenblicklich war der Raum erfüllt von dem Gestank verwesenden Fleisches, und Ulmenetha sah Maden durch das tote Fleisch kriechen. Das große Mädchen legte die Hand vor den Mund und würgte.
»Raus hier«, sagte Ulmenetha. »Rasch.«
Trotz ihres Ekels hob Ulmenetha ihr Messer auf, das neben dem verwesenden Leichnam lag, nahm die Königin beim Arm und führte sie durch den Flur zurück auf die Galerie und die Treppe hinunter. Der rothaarige Junge nahm das kleine Mädchen auf den Arm und folgte ihr.
Ohne recht zu wissen, welchen Weg sie nehmen musste, ging Ulmenetha eine Treppe hinunter zu dem, was ihrer Meinung nach das Erdgeschoß sein musste. Unten versperrte eine verriegelte Tür ihren Weg. Ein großer Schlüssel hing an einem rostigen Haken. Sie nahm ihn, öffnete die Tür und trat hinein. Sonnenlicht fiel durch zwei Fenster auf der anderen Seite des Raumes und beschien ein Meer von toten Kindern, die nachlässig auf einen blutgetränkten Altar gehievt worden waren. Der Anblick ließ ihr das Blut gefrieren. Obwohl sie nie mit einem Kind gesegnet gewesen war, hatte Ulmenetha starke mütterliche Gefühle, und der Anblick so vieler ermordeter Kinder erfüllte sie mit schmerzlicher Trauer.
Ulmenetha schloss die Augen vor diesem Alptraum und ging zurück, gerade als die schwangere Königin eintreten wollte. »Hier können wir nicht durch«, sagte Ulmenetha. »Wir müssen den gleichen Weg zurück, wie wir gekommen sind.«
Eine kalte, schreckliche Wut stieg in ihr hoch, als sie die Gruppe wieder die Treppe hinaufführte. In dem Raum mussten über hundert Kinder gewesen
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