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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Weihnachten wollten wir rausgehen und auf dem Land des Bauern einen Weihnachtsbaum schlagen, das hatte man uns erlaubt. Einen Christbaumständer hatten wir von zu Hause mitgebracht. Wir hatten auf dem Dachboden auch nach der Beleuchtung gesucht, aber nach kurzer Zeit aufgegeben und in einem Eisenwarenladen in der Stadt eine neue Lichterkette und ein paar bunte Kugeln gekauft. Ich wusste nicht, ob wir den Tannenbaum schmücken würden, nicht einmal, ob wir es schaffen würden, ihn im Wald zu schlagen.
    »Verdammt, jetzt fängt es wieder an«, war die Stimme meines Vaters aus der Küche zu hören. »So was habe ich noch nie gesehen.« Ich hörte, wie er vom Stuhl aufstand, das Schurren der Stuhlbeine auf dem Fußboden. »Noch so eine Nacht, und wir kommen hier nicht mehr weg.« Jetzt hörte ich seine Stimme im Wohnzimmer, wo ich saß. Ich wandte meinen Blick zur Tür, wo er stand. »Ivar kann ja schließlich nicht mehr räumen, wenn dieser Wahnsinn noch eine Nacht weitergeht.«
    »Nein.«
    »Dann sitzen wir hier fest«, sagte er. »Aber das ist vielleicht gerade gut.« Er sah mich an. »Hier sind wir sicher.«
    Er wiederholte: »Hier sind wir sicher.«
    Ich wusste nicht, was er damit meinte. Ich dachte noch, dass ich ihn fragen sollte, aber da war er schon wieder aus dem Zimmer. Das Geräusch von Bier, das da draußen eingegossen wurde.
    Jetzt war ich müde. Das Weiß vor dem Fenster verschmolz mit dem Schwarz. Schon bald würde man nicht mehr sehen, wo die Straße verlief und wo der Graben, die Grenze zum Feld und zum Wald, begann.
    »Ich gehe jetzt schlafen«, rief ich.
    »Mhm.« Er murmelte noch irgendwas in der Küche, aber ich verstand es nicht. Es war, als würde er telefonieren, und genau in dem Moment klingelte das Telefon in seinem Schlafzimmer. Ich hörte wieder das Schurren des Stuhles, wie er aufstand und ins Zimmer ging und mit einem »Ja?« das Telefon aufnahm. Ich trat näher, um zuzuhören. Er sagte: »Du solltest nicht vor Weihnachten anrufen«, und dann war es still. Dann: »Damit habe ich nichts zu tun, verdammt … mit dem, was hinterher passiert ist«, und dann schien er wieder zuzuhören, kurz, und dann sagte er: »Das sollen die nur wagen«, und ein »Ja, ja, ja« und ein »Nein« und dann warf er den Hörer mit einem lauten Knall auf die Gabel.
    Er besaß auch ein Handy, und das hatte ein paar Mal geklingelt, aber jetzt schon lange nicht mehr. Ich dachte, dass er es wohl abgeschaltet hatte. Vorher, als er in seinem Zimmer war, hatte ich das Telefon auf dem Küchentisch liegen sehen. Ich hatte es in die Hand genommen und gesehen, dass es abgeschaltet war. Plötzlich hatte es in meiner Tasche gesteckt. Es war so klein. Kaum größer als ein Schweizermesser.
    Ich ging in sein Schlafzimmer.
    »Wer war das?«
    Er drehte sich um. »Hast du da gestanden und zugehört?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Hast du heimlich zugehört?«
    »Ich bin nur vorbeigegangen. Wer hat da angerufen?«
    »Es war nur jemand vom … Büro.«
    »So spät?«
    »Wir haben keine Bürozeiten, Kalle.« Er erhob sich vom Bett. »Die nehmen da keine Rücksicht.«
    »Warum hast du vorhin gesagt, dass wir hier sicher sind?«
    »Was?«
    »Vorhin hast du gesagt, dass es nichts machen würde, wenn wir hier im Schnee festsitzen würden. Dass wir hier sicher wären. Ich meine nur …«
    »Das geht dich nichts an. Und die Zeit der Überraschungen ist vielleicht noch nicht vorbei.«
    »Aber das …«
    »Das geht dich nichts an!!«, sagte er, jetzt mit einer Stimme, die ich lange nicht gehört hatte. Die Stimme war aus der Zeit vor dem Tod meiner Mutter.
    »Ich gehe jetzt schlafen«, sagte ich und ging.
    »Kalle …«
    »Ja?« Ich drehte mich um.
    »Gute Nacht, Kalle. Hör nicht auf das, was ich rede. Es ist nur … ja, du weißt schon.«
    »Ja.«
    »Dann gute Nacht«, sagte er.
    »Gute Nacht.«
    »Morgen kochen wir den Weihnachtsschinken.«
    »Ja.«
     
    Ich lag wach und horchte auf Geräusche draußen, und plötzlich hörte ich vorm Haus Stimmen. Das war kein Traum. Ich hatte kein Auto gehört, aber jetzt sagte jemand etwas. Das war eine Stimme.
    In der Diele wurde Glas zerschlagen. Eine Stimme, die grob war, ein Fluch. Jemand anders sagte: »Hast du dich geschnitten?«, und eine Antwort, die ich nicht verstehen konnte.
    Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Ich konnte es nicht kontrollieren, die Hände zitterten unter der Decke, mir blieb die Luft weg, meine Füße …
    »Wester, Besuch!«
    Jemand rief in der Diele unseren

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