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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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die Reisetasche ab, schaltete das Deckenlicht ein und musste die Augen zusammenkneifen, weil es so grell war. Er zog seinen Mantel aus und hängte ihn auf einen Bügel. Dann entledigte er sich seiner Schuhe, ohne sie jedoch erst aufzuschnüren. Er ging durch den Flur in die Küche. Auf dem Tisch standen ein Teller und ein Glas. Beide leer, sauber. Kein Besteck. Die Spüle war leer, sauber. Auf der Arbeitsplatte, die in einem Winkel zur Spüle angebracht war, lag eine Tüte mit irgendetwas drin. Er ging hin und sah, dass es Kartoffeln waren. Daneben lag ein Schneidebrett. Auf dem Schneidebrett ein Kartoffelschäler.
    Überall war es sehr still, so still, dass er das Summen vom Kompressor des Kühlschranks wie ein dumpfes Atmen hören konnte. Er rief laut: »Susanne? Susanne!«
    Wieder im Flur bemerkte er jetzt das rote Blinklicht des Anrufbeantworters. Er ging zum Flurtischchen und drückte den Knopf und hörte seine eigene Stimme:
    »Hallo, ich bin’s bloß. Es ist jetzt einen Tag vorher, also vor der Heimreise, und die Sonne scheint überhaupt niemals unterzugehen. Aber jetzt ist sie doch schon mal rot. Ich wünschte, du wärst hier. Ähm, du kannst ja mal anrufen, wenn es nicht zu spät ist.«
    Nachricht zwei:
    »Hallo, jetzt ist also der Abreisetag da. Es ist, warte mal, halb neun, und ich bin auf dem Weg zum Flugplatz. Ruf doch mal an, wenn es geht. Nehme mal an, dass du gestern Nacht eine Extraschicht einlegen musstest. Ich rufe noch mal kurz durch, wenn ich weiß, wann der Flieger geht. Ob es Verspätung gibt oder so.«
    Nachricht drei:
    »Hallo, noch mal, wir gehen jetzt ins Flugzeug. Scheint keine Verspätung zu geben. Ich rufe an, wenn ich gelandet bin.«
    Nachricht vier:
    »Warum geht sie nicht ran?«
    Seine eigene Stimme, eine Stunde alt, vom Rücksitz des Taxis.
    Er wandte sich vom Anrufbeantworter ab, ging über den Flur und ins Schlafzimmer.
    Sie lag unter der Decke.
    Er ging um das Bett herum. Es war unmöglich, ihren Augen auszuweichen, die direkt in die Ewigkeit starrten.
     
    Kriminalkommissar Erik Winter folgte ihrem Blick ins Nirgendwo und Nichts. Er hatte sich dicht bei dem Gesicht der Frau hingehockt.
    Er hatte schon viele strangulierte Menschen gesehen, und er erkannte einen solchen Fall, wenn er ihn vor sich hatte. Sicher würde Pia Eriksson Fröberg, die Gerichtsmedizinerin, nachher die Todesursache bestätigen, in einem Untersuchungsraum, der heller erleuchtet sein würde als dieses Schlafzimmer, das in diesem Moment, ehe die Spurensicherung und die Ärzte es erfüllten, fast friedlich wirkte.
    Aber jetzt war er allein hier, das geschah auf seine ausdrückliche Anweisung.
    Es war immer noch vor Mitternacht. Minuten nach dem Alarm war er durch sanften Schneefall hierher gefahren. Angela hatte nicht gefragt, warum er mitten in der Nacht losfuhr. Sie war Ärztin, sie wusste, was Bereitschaftsdienst bedeutete. Auch kurz vor Weihnachten konnten Menschen ernsthaft erkranken.
    Und sie konnten auch ermordet werden, dachte er, als er das Gesicht der Frau und ihre Gestalt unter der Decke betrachtete.
    Er nahm eine Bewegung hinter sich wahr und drehte sich um. In der Tür stand Kommissar Bertil Ringmar.
    »Sollen wir ihren Mann in die Skånegatan fahren, oder willst du ihn hier gleich verhören?«, fragte Ringmar.
    »In meinem Zimmer«, erwiderte Winter.
     
    Sein Zimmer: Bürostuhl, Besucherstuhl, Schreibtisch, Aktenschrank, Waschbecken, auf dem Fußboden vor dem Fenster ein CD-Spieler. Es war still, keine Glöckchen, die klingelten, kein Fuchs, der über das Eis strich.
    Keine stille Nacht.
    Winter fuhr sich übers Gesicht und sah den Mann an, der ihm gegenübersaß. Er hieß Anders Balker. Sein Gesicht war sonnenverbrannt, aber unter der Bräune blass, was die Haut seltsam durchsichtig machte. Der Name seiner Frau war Susanne Balker.
    »Mein Gott«, sagte Anders Balker zum dritten oder vierten Mal.
    »Wann haben Sie das letzte Mal mit ihr gesprochen?«, fragte Winter.
    »Ähm, ich denke, das war am Donnerstag«, antwortete Balker.
    Winter schaute in den Kalender, der aufgeschlagen auf dem Schreibtisch lag.
    »Zwei Tage, ehe Sie nach Hause gefahren sind?«
    »Äh, ja.«
    »Zwei Tage vorher«, wiederholte Winter.
    »Ich habe später auch noch versucht anzurufen«, erklärte Balker, »danach.« Er rutschte auf dem Stuhl herum. »Ich habe Nachrichten hinterlassen.«
    »Wir haben das Band gehört«, sagte Winter.
    »Ja.«
    »Hat es Sie beunruhigt, dass sie nicht ranging?«
    »Ähm, ja klar. Ich habe ja

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