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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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wieder angerufen.«
    »Gab es niemand anders, mit dem Sie Kontakt aufnehmen konnten?«
    Der Mann antwortete nicht. Er sah auf den Schreibtisch herab, als würde er Winters Kalender studieren.
    »Gab es niemanden, den Sie hätten anrufen können?«, wiederholte Winter.
    »Nein.« Balker sah auf. »Ich habe niemanden.«
    »War das schon öfter so?«, fragte Winter.
    »Was denn?«
    »Dass Ihre Frau, Susanne, nichts von sich hat hören lassen, wenn Sie versucht haben, mit ihr Kontakt aufzunehmen.«
    »Nein«, antwortete Balker. »Das hat es noch nie gegeben.«
    »Was denn?«
    »Dass ich allein weggefahren bin. So lange.«
    »Warum diesmal?«, fragte Winter.
    Balker antwortete nicht. Winter war nicht sicher, ob der Mann ihn verstand. Vielleicht konnte das gar nicht gehen, so lange Zeit mit einem Mann zu sprechen, der grade erst seine Frau ermordet im gemeinsamen Zuhause gefunden hatte. Vielleicht hätte er zusammenbrechen müssen, sich über den Schreibtisch werfen, über Winter, über den verdammten Kalender, der für Susanne Balker überhaupt keine Bedeutung mehr hatte.
    Ich würde das tun, dachte Winter. Wenn es mir passieren würde. Würde mich völlig verlieren. Ich wäre ein lebendiger Toter, wenn mir das passieren würde.
    Daran muss ich denken, wenn ich hier sitze und meine Fragen stelle. Aber sie müssen gestellt werden.
    »Warum sind Sie eine Woche vor Weihnachten in Urlaub gefahren?«, fragte er wieder.
    »Das war kein Urlaub«, antwortete Balker.
    »Was denn?«
    Balker antwortete nicht.
    »Was für eine Reise war das?«, wiederholte Winter.
    »Ich. Ich trinke«, sagte Balker. Er sah Winter jetzt an. »Ich bin, was man einen Quartalssäufer nennt.« Er sah auf seine Hände herab. »Manchmal muss ich einfach wegfahren.« Er sah wieder auf. »So war es auch diesmal.«
    »Sie mussten eine Woche wegfahren, um zu trinken«, sagte Winter. »Habe ich das richtig verstanden?«
    »Ja.«
    »Und wann haben Sie diesen Entschluss gefasst?«
    »Das ist kein Entschluss, den man fasst«, erklärte Balker.
    »Es kommt einfach. Plötzlich muss man einfach. Man muss einfach weg.«
    »Aber Sie spüren es sehr wohl, wenn das Bedürfnis kommt, oder?«, fuhr Winter fort. »Denn Sie müssen ja auf irgendeine Weise planen können.«
    »Jaa«, sagte Balker, »manchmal.«
    »Also, warum sind Sie ausgerechnet in der Woche vor Weihnachten weggefahren?«
    Balker antwortete nicht.
    »War es, weil die Reisen da am billigsten sind?«, fragte Winter.
    Er wusste das. Nach all den Jahren, in denen seine Mutter, die an der Costa del Sol lebte, unausgesetzt davon geredet hatte, wann die günstigste Reisezeit sei. Als ob sie darüber nachdenken müsste.
    »Ist es da am billigsten?«, fragte Balker.
     
    Winter saß im Dunkeln in seinem Zimmer. John Coltrane blies Like Someone in Love in die Nacht. Er hatte Angela angerufen und ihr eine gute Nacht, eine stille Nacht gewünscht. Wir trinken den Glögg dann zum Frühstück, hatte er gesagt. Als das Telefon, das Bereitschaftstelefon, in der Nacht geklingelt hatte, waren sie gerade dabei gewesen, den Glögg heiß zu machen. Frühstück?, hatte Angela gefragt. Es wird wohl eher Mittagszeit sein, wenn du kommst.
    Mittag. Würde er dann zu Hause sein?
    Balker war nicht bei sich zu Hause. Sie hatten ihn im Savoy eingemietet, weil sie ihn nicht im Skånegatan-Hilton, dem Untersuchungsgefängnis, einquartieren konnten. Es gab keinen Grund, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Er war nicht im Land gewesen, als seine Ehefrau starb. Pia Eriksson Fröberg hatte Winter angerufen, kurz nachdem Balker in die Einsamkeit hinausgewandert war. Gestern, hatte Pia gesagt. Susanne Balker ist am Donnerstagabend erdrosselt worden, spät, vielleicht in der Nacht zum Freitag, also in der Nacht vor dem Tag, an dem Balker nach Hause kam. Aber alles geschah auf jeden Fall nach sechs Uhr am Donnerstagabend.
    Das wusste er schon selbst. Susanne hatte ihren Arbeitsplatz als Schwesternhelferin am Sahlgrenska-Krankenhaus um halb sechs am Donnerstag verlassen, und offenbar war sie auch nach Hause gekommen.
    Ihr Mann sagte, er habe sie um sechs Uhr abends vom Handy aus Puerto Rico, Gran Canaria, angerufen.
    Sie war nicht rangegangen, nicht beim ersten Anruf, und auch nicht beim zweiten. Sie sollten die Anrufe verfolgen. Sie sollten kontrollieren, dass er wirklich dort gewesen war, in Puerto Rico. Aber Winter glaubte nicht, dass er an jenem stillen Abend einen so offenkundigen Lügner vor sich gehabt hatte. Dann müsste der Mann verrückt

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