Winterland
zufällig irgendjemanden um Balkers Haustür rumschleichen sehen?«
»Dafür müsste ich mir ein Fernglas anschaffen. Oder ein Periskop.«
»Mach keine Dummheiten«, ermahnte Halders sie.
»Wie meinst du das?«, fragte sie. Das sagte ausgerechnet der, der immer die verrücktesten Ideen hatte, dachte sie.
»Schleich nicht um Balkers Tür herum.«
Sie lachte.
»Ich meine es ernst«, sagte Halders.
»Glaubst du, ich brauche Personenschutz?«
Halders antwortete nicht.
»Fredrik?«
»Ich weiß nicht«, sagte er.
»Meinst du es wirklich ernst?«
»Er, wenn es nun ein Er ist, denkt vielleicht gerade jetzt daran, dass er dir ein paar Mal begegnet ist. Vielleicht fällt ihm das jetzt gerade ein.«
»Jetzt machst du mir aber langsam Angst, Fredrik.«
»Ich finde einfach nur, dass du vorsichtig sein solltest.«
»Ich bin vorsichtig. Ich bin immer vorsichtig. Ich bin schließlich Ermittlerin. Und warum sollte er sich gerade an mich erinnern? Das war ja nur ein Zusammentreffen mit irgendeiner Fremden.«
Als sie das sagte, musste sie an die Fremde denken, die sie in Afrika gewesen war. Fremd und doch nicht fremd.
»Du siehst aber nicht aus wie irgendwer«, sagte Halders.
»Jetzt hör auf, Fredrik. Es gibt in diesem Land schon eine ganze Weile schwarze Menschen. Und sogar einige, die Göteborger Dialekt sprechen.«
Halders musste lachen.
»Okay, okay.«
Er schwieg einen Augenblick. Sie konnte hören, wie sich die Fahrstuhltür draußen im Treppenhaus öffnete und schloss. Sie meinte, Schritte zu hören.
»Kommst du an Weihnachten hierher?«, fuhr Halders fort.
»Ich glaube ja, Fredrik.«
»Wir sollten das bald entscheiden. Magda und Hannes, weißt du …«
»Okay, Fredrik. Sag ihnen, dass ich komme.«
Sie konnte sein Lächeln vor sich sehen, hörte es in seinem Abschiedsgruß.
Den Telefonhörer immer noch in der Hand, hörte sie draußen im Treppenhaus Schritte. Es war aus Ziegel, und wenn jemand dort ging, war es von einem düstren Klang erfüllt. Jetzt klang es, als würde da jemand mit Stahlsohlen laufen. Da hörten die Schritte auf.
Ihre Türglocke klingelte, bing, baang, biing.
Sie sah auf die Armbanduhr, ein Reflex, und dachte an das Gespräch eben mit Fredrik. Das Klingeln hallte noch in der Wohnung nach, ein dünner Laut, wie Wind. Sie ging schnell aus dem Zimmer, durch den Flur, und sah durch den Spion. Da war nichts.
Sie öffnete die Tür mit der vorgelegten Sicherheitskette. Niemand draußen. Weiter rechts hörte sie den Fahrstuhl anrucken.
Sie hatte niemanden weggehen hören.
Aneta Djanali öffnete die Tür. Sie sah niemand, hörte aber immer noch den Fahrstuhl, sprang in die erstbesten Schuhe und lief zum Fahrstuhl, sah den Pfeil, der anzeigte, dass er auf dem Weg nach unten war, und rannte die fünf Doppeltreppen hinunter, erreichte den Eingang und sah die Tür, die sich gerade sachte schloss.
Sie stand draußen. Nichts rührte sich, keine sich entfernende Gestalt. Überall gab es Straßenecken, Häuser wie schwarze Kulissen, hinter denen man innerhalb weniger Sekunden verschwinden konnte.
Mein Gott, dachte sie.
Hier stehe ich in Badelatschen und Trainingshosen.
Ich hätte niemals auf Fredrik hören sollen.
Es war einfach jemand, der sich in der Tür vertan hatte.
Das redete sie sich den ganzen Weg zurück ein. Die Wohnungstür war zugeschlagen und sie war ausgesperrt.
Was mache ich hier eigentlich? Gerade noch habe ich mich wie ein Idiot gefühlt, und das hier beweist, dass ich wirklich einer bin. Was jetzt? Den Schlüsseldienst? Der grundsätzlich unauffindbare Hausmeister? Oder ich selbst? Aber dafür braucht man Werkzeug, und ich habe nur Badeschlappen an.
Es gab nur eine Möglichkeit. Sie drückte auf die Klingel der Nachbarn, bing, baang, boong, ein älteres Paar, das gerade eingezogen war und sie telefonieren ließ.
Fredrik war innerhalb von zwanzig Minuten da und brach äußerst elegant in ihre Wohnung ein. Es gab keinen Ort, in den Fredrik nicht einbrechen konnte.
Dank der Kälte, die sich während der Nacht über alle braven Kinder und alle anderen Menschen gebreitet hatte, blieb der Schnee liegen. Winter sah seinen Atem wie eine Rauchsäule vor sich, als er über den Heden zum Polizeiquartier ging. Vielleicht war es auch eine Rauchsäule. Er rauchte ja tatsächlich. Der erste Zigarillo des Tages, den er immer genau in dem Moment anzündete, wenn er die sieben Minuten Weg vor sich hatte.
»Wir stellen einen ständigen Wachposten vor das Haus«, sagte er, als sie
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