Winterland
mit drei Tassen Glögg herein, von denen zwei mit ein paar Promille angereichert waren.
»Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass der Glögg über Weihnachten reichen würde«, sagte sie.
»Wir machen neuen«, sagte Winter.
»Wirst du langsam zum Alkoholiker, Erik?«
Er lächelte und hob seine Tasse, blies darüber und stieß mit Elsa an.
Später, als Elsa schlief:
»Heute habe ich den Mann der ermordeten Frau verhört. Er tut alles, um uns davon zu überzeugen, dass er Alkoholiker sei.«
»Hm«, antwortete Angela.
»Ist das nicht etwas seltsam? Normalerweise ist doch das Gegenteil der Fall. Alkoholiker weigern sich, ihr Laster zuzugeben. Hier haben wir einen Nüchternen, der sich weigert zuzugeben, dass er nüchtern ist.«
»Hat das denn eine Bedeutung? Spielt es irgendeine Rolle, ob er auf den Kanaren betrunken oder nüchtern war?«
»Ja. Das hängt zusammen. Der einzige Grund, weshalb er dorthin wollte, war, um zu trinken. Aber wenn er dort nicht getrunken hat, wenn er womöglich überhaupt nicht getrunken hat, warum wollte er dann allein verreisen?«
Die Sonne war zum ersten Mal seit Monaten einmal wieder stärker, und das schon früh am Vormittag, als sei sie über Nacht von den Kanaren hergereist. Es war ein Tag vor Heiligabend. Winter atmete die klare Luft ein, als er die Vasagatan hinunterging. Jedenfalls bevor er den Zigarillo anzündete und alles zerstörte.
Es war früh am Vormittag. Bergenhem kam mit der Neuigkeit.
»Wir haben es im Bankfach gefunden.«
Er legte ein Papier auf Winters Schreibtisch.
Winter las und pfiff durch die Zähne.
»Das habe ich auch gemacht«, sagte Bergenhem.
»Da haben wir ein mögliches Motiv für Balker«, sagte Winter.
»Leider haben wir ein wasserdichtes Alibi für ihn«, entgegnete Bergenhem.
Alibi. Die Definition des Wortes war »Beweis für einen anderen Aufenthaltsort als den Tatort«, und Winter mochte weder das Wort noch seine Definition. Das Alibi machte alle Ermittlungen kompliziert. Alles könnte so einfach sein, wenn niemand ein Alibi hätte.
Winter las das Testament noch einmal durch. Susanne Balker war eine reiche Frau gewesen. Sie hatte von ihren Eltern Millionen geerbt, und die gingen nun auf ihren Mann über. Er war der einzige Erbe.
»Anständiges Weihnachtsgeschenk«, sagte Bergenhem, als Winter aufschaute.
»Sie reden von einem Mann in Trauer«, sagte Winter.
»Und der unter Schock steht«, fügte Bergenhem hinzu.
»Und zwar so sehr, dass er vergessen hat, uns zu sagen, was ihn erwartete, nun da seine Ehefrau verstorben ist.«
»Vielleicht wusste er es nicht«, gab Bergenhem zu bedenken.
»Da werden wir ihn wohl mal fragen«, sagte Winter.
Anders Balker gab sich alle Mühe, wie ein lebendes Fragezeichen auszusehen.
»Ich schwöre hoch und heilig, dass ich davon nichts wusste«, sagte er.
Schwören bei was, dachte Winter. Beim Andenken deiner ermordeten Ehefrau?
»Ist das nicht seltsam, dass sie nichts gesagt hat?«, fragte er.
Balker antwortete nicht.
»Vielleicht sollte es eine Überraschung sein«, fragte Bergenhem, der neben Winter saß. Das war eine grobe und provozierende Frage, aber Balker schien nicht darauf zu reagieren. Überraschung, wann? Nach meinem Tod zu öffnen …
Balker schwieg. Dann sagte er »Mein Gott« und sah wirklich aus wie ein Mann, der in Trauer und unter Schock war.
Er sah zu Winter und setzte an, als wolle er noch mehr sagen, aber es kam nichts. Winter wartete, aber Balker stand auf und ging, und sie konnten ihn nicht daran hindern.
Ein paar Stunden später sprachen sie mit dem Testamentsvollstrecker, dem Anwalt Morgan Schmidt, und dieser bestätigte, dass das Testament ohne Wissen von Anders Balker verändert worden war. Es war vor drei Monaten geschehen. Warum hat sie das Testament geändert?, fragte Winter. Zuvor war das Geld an unterschiedliche Stellen zu unterschiedlichen Zwecken verteilt gewesen. Es hatte gar kein richtiges Testament gegeben. Warum wollte Susanne Balker jetzt eines haben? Ich weiß es nicht, hatte der Anwalt gesagt. Aber ein Testament ist immer eine gute Idee. Zumindest für Anders Balker, hatte Winter gedacht.
»Haben Sie ihr dazu geraten?«, hatte er gefragt.
»Natürlich nicht.«
Sie hatte Geld, arbeitete aber als Schwesternhelferin, sinnierte Winter.
Sie konnten sie nicht selbst fragen. Und ihr Mann konnte keine Antwort darauf geben. Winter glaubte, verstanden zu haben: Sie war ein einsamer Mensch gewesen, und am Arbeitsplatz hatte sie eine Gemeinschaft
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