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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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gewesen. Die Straßencafés waren geöffnet. Das hier war eine andere Art Winter. Er hatte sich auch daran erinnert.
    Am Strand spazierten Menschen. Von irgendwoher Musik. Die letzten Strahlen der Sonne schienen ihnen ins Gesicht. Sie hatte immer noch den Blumenkranz um, den eine Frau ihnen als üblichen Willkommensgruß um den Hals gehängt hatte, als sie aus dem Flugzeug stiegen. Als sie auf dem Rücksitz des Taxis saßen, sah sie sich um.
    »Wie wunderschön«, hatte sie gesagt.
     
    Er blinzelt gegen die Blindheit an, als er in den Schatten läuft. Der Asphalt ist rau und kalt unter den Fußsohlen. Das ist nicht wie der warme Belag des Flugplatzes beim Aussteigen. Das war vor zwei Tagen. Wenn jetzt Morgen ist, dann ist es der zweite Morgen.
    Das heißt, dass heute Heiligabend ist, und das hier der Morgen von Heiligabend.
    Er kommt an eine Wegkreuzung. Auf der anderen Seite eines Feldes sieht er das Meer. Er schaut nach rechts, da schimmern ein paar hohe Gebäude in der Morgensonne. Das ist die Stadt. Links, quer über die Kreuzung, ein paar hundert Meter entfernt, erheben sich zwei hohe Hotelgebäude. Die waren vor zwanzig Jahren auch schon da. Er war oft da, in den Bars und am Strand vor dem Hotel.
    Er dreht sich um. Er ist fünfhundert Meter gelaufen, vielleicht siebenhundert.
    Jetzt weiß er, wo er ist, findet sich wieder zurecht. Das hier ist ungefähr fünf Kilometer von der Stadt entfernt, nach Osten zum Meer hin. Aber er weiß nicht, wie er hierher gekommen ist. In seinem Kopf findet sich keine Erinnerung an die Nacht. Keine Zeit.
     
    Das Hotel lag mitten an der Strandpromenade. Sie hatten in der Lobby gewartet, während das Personal die Taschen die schwarz glänzenden Steintreppen hinaufgetragen hatte.
    »Das hier ist das älteste Hotel der Stadt«, hatte er gesagt.
    »Es ist schön«, hatte sie erwidert. »Ich mag diese altmodischen Häuser.« Sie hatte sich umgeschaut. Auf beiden Seiten der Lobby standen Palmen in Kübeln. »Es ist wirklich aufregend.«
    »Wir haben hier ein Weihnachtsessen gehabt.«
    »Wirklich?«
    »Truthahn mit allem, was dazugehört.«
    »Mit wem?«
    »Ich und zwei weitere Informationsoffiziere«, hatte er geantwortet. »Der Speisesaal lag hinter diesen Türen.« Er hatte in Richtung zweier mit Schnitzereien verzierter Holztüren genickt, die aufglitten, als hätten sie auf sein Zeichen gewartet. Er hatte die weißen Tischtücher gesehen und die grünen Pflanzen, die in einem Muster über die hintere Wand rankten. »Und er ist immer noch da.«
    »Dann können wir unser Weihnachtsessen ja auch dort nehmen.«
    »Aber du magst doch gar keinen Truthahn.«
    »Hier ist das etwas anderes.«
    »Was heißt das?«
    »Dass man hier ein anderer Mensch wird.«
     
    Von der größeren Straße her hört er Sirenen und sieht eines der örtlichen Polizeiautos in den hundert Meter entfernten Seitenweg abbiegen. Das Geräusch wird lauter und dann wieder leiser. Er versteckt sich, hockt sich in das trockene Gras, das nach sonnenverbrannten Kräutern und Salz riecht.
    Von dort, wo er sitzt, mit den nackten Füßen in der roten Erde, kann er das Polizeiauto nicht mehr sehen. Er spürt, wie es nach diesem Lauf auf seinen Füßen brennt und auch an den Fußsohlen, aber er kann nicht nachschauen, ob da irgendwelche Verletzungen sind.
    Die Sonne ist jetzt über allen Gebäuden aufgegangen, ein starker Schein in seinen Augen.
    Er hört wieder die Sirenen. Ein weiteres Polizeiauto biegt ein. Er lässt sich wieder niedersinken, legt sich diesmal ganz flach auf die Erde.
    Mein Gott, denkt er. Das ist doch Wahnsinn. Aber ich habe Panik gekriegt. Jeder würde da Panik bekommen. Es würde ja genügen, wenn ich denen sage, dass ich einfach Panik bekommen habe. Ich bin aufgewacht und wusste nicht mehr, wo ich bin, und deshalb bin ich losgerast. Ich war erschrocken. Wer würde in so einer Situation nicht erschrecken? Man wacht in einem fremden Zimmer auf, und neben einem liegt ein lebloser Körper, und jemand bollert an die Tür und schreit von draußen. Würden Sie da nicht auch erschrecken, Herr Kommissar?
    Aber er weiß, dass er nicht aufstehen und zu dem Apartmenthotel, oder was es auch immer war, zurückgehen wird, um sich der Gerechtigkeit zu stellen. Er weiß nämlich, welche Art von Gerechtigkeit auf dieser sonnigen Urlaubsinsel herrscht. Er weiß, was mit Festgenommenen geschehen ist, die versucht haben, zu erklären, warum sie getan haben, was sie getan haben. Wenn sie etwas getan hatten. Er hatte die

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