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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Stuhl.
    »Was machst du da?«, fragte Ringmar.
    »Jemand hat das Fach ausgeräumt«, sagte Winter.
    »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
    »Hirschmann hat mir erzählt, er würde da oben ein paar ›Geheimnisse‹ aufbewahren. Jetzt sind sie weg.«
    »Ist das nicht eine etwas sehr öffentliche Stelle, um seine Geheimnisse zu verwahren?«, fragte Ringmar.
    »Von unten aus konnte man die Sachen nicht sehen«, sagte Winter.
    »Trotzdem.«
    »Ich weiß nicht, wer sonst noch davon wusste.«
    »War es denn etwas, das zu stehlen sich lohnte?«, fragte Ringmar.
    »Das weiß ich auch nicht.«
    »Hast du irgendwann mal gesehen, was auf diesem Regal lag?«
    »Nein.« Winter schaute wieder zu der Öffnung hinauf. Die Ausbuchtung war kaum sichtbar. Wer sie nicht kannte, würde sie nicht bemerken. »Bis gestern Abend hatte ich ja auch keinen Grund, Hirschmanns Aussage zu kontrollieren.«
    »Vielleicht war es nur ein Scherz«, meinte Ringmar.
    »Das glaube ich nicht.«
    »Dann hat ihn also jemand wegen der Dinge umgebracht, die auf dem Regal lagen?«
    »Das ist nur eine Hypothese«, erwiderte Winter.
    »Wenn überhaupt etwas dort lag«, bemerkte Ringmar.
    »Das ist die Frage.«
    »Und was lag dann da?«
    »Rezepte«, sagte Winter.
    »Rezepte?«
    »Ja. Geheime Rezepte. Dinge, die nur Hirschmann wusste. Das, was seinem Essen die drei Sterne verlieh.«
    »Hatte er denn drei Sterne?«, fragte Ringmar.
    »Das einzige Drei-Sterne-Restaurant im ganzen Norden«, erklärte Winter.
    »Hätte er diese Rezepte dann nicht in einem Schließfach auf der Bank aufbewahren müssen?«, fragte Ringmar.
    »Er brauchte sie«, meinte Winter. »Er brauchte sie hier.«
    »Hat ein Meisterkoch so etwas nicht im Kopf?«
    »Vielleicht hat er mit neuen Gerichten experimentiert«, meinte Winter. »Er hat sich Aufzeichnungen gemacht und sie da oben aufbewahrt.« Er nickte in Richtung auf das Regal.
    »Vielleicht war Hirschmann nicht vorsichtig genug.«
    »Das ist doch unrealistisch«, wandte Ringmar ein. »Ein Rezept kann doch keine tödliche Gefahr bedeuten.«
    »Diese Branche ist von einem tödlichen Ernst«, gab Winter zu bedenken. »Das habe ich schon mitbekommen. Es geht um Leben und Tod, Darwin in Reinkultur. Nur der Stärkste überlebt.«
    »Und nicht einmal der«, sagte Ringmar und warf einen Blick Richtung Kühlraum.
    »Nein«, meinte Winter, »nicht einmal der.«
    »Wenn wir mal davon ausgehen, dass der Mörder irgendetwas von diesem Regal haben wollte, warum hat er es sich dann nicht einfach nur genommen? Zum Beispiel wenn Hirschmann ihm den Rücken zuwandte oder nicht da war?«
    Ringmar sah zu dem Regalbrett hinauf. »Warum musste der Meister ermordet werden?«
    »Vielleicht war es jemand sonst unmöglich, an das Regal und die Sachen dort zu kommen«, meinte Winter. »Hirschmann war schließlich immer hier. Er war der Erste, der kam, und der Letzte, der ging.«
    »Aber manchmal verließ er die Küche doch«, sagte Ringmar.
    »Wir müssen das Personal verhören«, sagte Winter.
    »Das kommt mir alles noch ziemlich dünn vor«, wandte Ringmar ein.
    »Hast du eine bessere Idee?«
    »Im Moment nicht. Vielleicht ist was mit dem Auto draußen.«
    Winter nickte. Es war wie immer. Die ersten Stunden waren wichtig, aber sie vergingen immer viel zu schnell. Die ersten Hypothesen waren wichtig, die Vermutungen, die niemals nur Vermutungen waren. Die ersten Verhöre waren wichtig. Er hatte einen langen Tag vor sich, er musste mit allen sprechen, die sich nur wenige Stunden zuvor in dieser Küche aufgehalten hatten. Die Gästeliste. Sie mussten die Gästeliste durchgehen und mit allen reden, die an diesem Abend im Speisesaal gesessen hatten. Seinen eigenen Namen würde er streichen können und den von Angela auch. Und er glaubte auch nicht, dass irgendein Gast Hirschmann ermordet haben könnte, weil das Essen schlecht gewesen war.
    Es würde ein langer Tag mit Überlegungen zu den technischen Hinweisen sein, die die Leute von der Spurensicherung irgendwann im Verlauf des sehr langen Nachmittags präsentieren würden. Er würde über die Obduktion nachgrübeln. Über die Fotografien aus dem Obduktionssaal und über die vom Tatort. Die Bilder vom Tod. Er hatte schon Tausende von solchen Bildern gesehen, aus allen Winkeln. Der Tod war ihm bekannt, in allen Perspektiven. Er wusste alles vom Tod, wie er zu den Menschen kommen konnte, und wie die Menschen auf Fotos aussahen, wenn sie tot waren.
    Der Tatort, dachte er. Wenn das hier der Tatort war. Pia Fröberg

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