Winterlicht
andere Messer auf den Mann schleudern, der jetzt am Straßenrand Schmiere steht. Dann dem Kerl gleich neben ihm das Schwert entreißen und damit den dritten erstechen. Aber dann war immer noch einer übrig. Finnikin wusste, er würde tot sein, noch ehe er mit dem zweiten Messer zustechen konnte.
Die wortlosen Schreie des Mädchens hallten in seinem Kopf wider; ihm war, als müsste sein Trommelfell bersten.
„Evanjalin!“, rief er. Und dann sah er, wie einer der Kerle drohend vor sie hintrat.
„Nein!“, schrie er und wollte sich an den dreien, die ihn umstanden, vorbeidrängen. „Sie ist einfältig. Sie versteht nichts.“
Es gelang ihm, sich loszureißen, aber er wusste, er würde nicht weit kommen. Doch allein dieser Vorteil reichte aus. In diesem Augenblick fiel das Mondlicht auf Evanjalins Gesicht und Finnikin erkannte in ihrem Blick nicht Angst, sondern Zorn. Ehe er wusste, was geschah, hatte sie Finnikins Schwert mit dem Fuß einen Stoß versetzt, dem jungen Mann sein Schwert entrissen und es ihm in den Oberschenkel gestoßen.
Finnikin war wie vom Donner gerührt, aber er erwachte sofort wieder aus seiner Erstarrung, als er Evanjalin gegen einen der Diebe kämpfen sah. Ein Mann lag schon am Boden. Dann der zweite. Die Stiche waren leise und tödlich genau. Gegen den dritten benutzte Finnikin Trevanions Schwert, eine Waffe, die zu schnell für eine Bande von Tagedieben war. Er hörte, wie hinter ihm ein Schwert durch die Luft sirrte, auch Evanjalin wusste offenbar mit dieser Waffe umzugehen. Als der dritte Mann zu Boden ging, wirbelte Finnikin herum, um sich ihren Angreifer vorzunehme n – und stand auf einmal nur noch dem Mädchen gegenüber. Ihre Augen funkelten, das Schwert hielt sie mit beiden Händen in die Höhe. Sie stand fest und unbeweglich und wartete darauf zuzuschlagen. Vor ihr wand sich der zweite Angreifer vor Schmerzen. Evanjalin ließ das Schwert fallen und beide flohen sie in die einzig mögliche Richtung.
Sie fanden durch das Gassengewirr zur Hauptstraße zurück, die aus der Stadt hinausführte. Doch da mussten sie feststellen, dass es einem der Angreifer gelungen war, sich an ihre Fersen zu hefte n – obwohl Finnikins Messer noch immer in seinem Körper steckte.
Das Mädchen schubste Finnikin zu einem Pferd, das an einem Pfahl in der Nähe angebunden war, während sie mit der anderen Hand Trevanions Schwert aus der Scheide riss. Sie packte es, ohne zu zögern, an der Klinge und stieß dem Angreifer den rubinverzierten Griff zwischen die Beine. Finnikin hörte ein Splittern, und er wusste, es war nicht der Griff, der in Stücke ging. Die folgenden Schmerzensschreie hätten einen Toten wieder zum Leben erwecken können.
Finnikin schwang sich auf das Pferd. Die Novizin gab ihm Trevanions Schwert zurück, dann setzte sie dem Angreifer einen Fuß auf die Brust, um sich abzustützen, und zog Finnikins Dolch aus seinem Leib. Sie streckte die Hand aus und Finnikin zog sie zu sich aufs Pferd. Sie setzte sich hinter ihn und klammerte sich an seiner Taille fest, den Dolch noch immer in der Hand. Er betrachtete ihre Hände. Sie waren kräftig, voller Schwielen und blutig. Er spürte ihr Gesicht in seinem Rücken, hörte ihren keuchenden Atem ganz nahe an seinem Ohr. Und plötzlich überkam ihn das brennende Verlangen, ihre Stimme zu hören.
Sir Topher blickte die beiden entsetzt an. Finnikin wusste nicht, ob das Pferd oder der aufgelöste Zustand des Mädchens der Grund dafür war. Der alte Mann half beiden beim Absitzen und ließ das Mädchen dabei nicht aus den Augen.
„Sie wurde überfallen“, brummte Finnikin und zog Sir Topher beiseite. „Aber sie weiß, wie man mit einem Schwert umgeht.“
„Ich habe dir aufgetragen, auf sie aufzupassen, Finnikin.“
„Sir Topher“, erwiderte Finnikin und bemühte sich um Beherrschung, „sie kann mit einem Schwert umgehen und ihren Verstand gebrauchen. Ich sage Euch, sie ist alles, nur nicht einfältig. Ich traue ihr nicht.“
„Konnte sie mit dem Schwert besser umgehen als du?“
„Natürlich nicht, aber sie hat mindestens zwei Männer zu Krüppeln gemacht. Einer von ihnen wird aller Wahrscheinlichkeit nach wohl niemals Vater werden.“
Beide blickten sie zu Evanjalin hinüber. Sie hielt ihr Gesicht gegen den Hals des Pferdes gepresst. Finnikin flüsterte: „Immer dieses Schweigen. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.“
„Ihr Gelübde gebietet ihr die Stille. Die Novizinnen nehmen es sehr genau.“
„Als kleiner Junge habe ich
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