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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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geheftet.
    Dummes, dummes Mädchen. Sein Unmut ließ ihn zögern. Jetzt hatte Finnikin die einmalige Gelegenheit, das Mädchen loszuwerden und wie geplant die Reise allein mit Sir Topher fortzusetzen. Sein Mentor hatte ihm versprochen, in diesem Herbst nach Trevanions Gefolgsleuten zu suchen. Dies war seine Chance, in den Süden zu kommen, dort nämlich hatte eine Gruppe von Vertriebenen angeblich Mitglieder der Garde gesehen. Aber Lumatere hatte schon viel zu viele seiner Bewohner ans Exil in Sarnak verloren, deshalb ließ Finnikin, ohne nachzudenken, die Münzen, die er in der Hand gehalten hatte, fallen und rannte dem Mädchen hinterher.
    Nicht weit entfernt verzweigte sich die Straße in fünf Gassen. Finnikin folgte seinem Instinkt und lief geradeaus weiter, aber es kamen noch mehr Weggabelungen und bald wusste er nicht mehr, wo er hergekommen war.
    „Evanjalin!“
    Er erspähte einen Zipfel ihres Gewands, als sie um eine Straßenecke bog. Als sie in die Stadt gekommen waren, hatte er ihre Furcht beinahe riechen können, hatte sie zittern sehen beim Gedanken an den Tod ihrer Familie hier in Sarnak.
    Es wurde schnell dunkel. Er rief ihren Namen, aber sie rannte unbeirrt weiter und entschwand dabei immer wieder für kurze Zeit seinen Blicken. Schließlich geriet sie in eine Sackgasse. Irgendjemand verbarg sich im Dunklen, und noch ehe Finnikin die Novizin eingeholt hatte, wurde sie zu Boden gerissen. Der Angreifer schien seiner Gestalt nach nicht älter als vierzehn oder fünfzehn Jahre zu sein. Finnikin zog sein Schwert aus der Scheide, aber er wollte den Jungen damit nur einschüchtern, nicht verletzen.
    Plötzlich spürte er eine kalte, spitze Klinge an seinem Hals. Er hatte keine Angst. Von Kindesbeinen an hatte ihn Trevanion gelehrt zu kämpfen, und Sir Topher hatte dafür gesorgt, dass er diese Fertigkeit auf seinen Reisen von Königreich zu Königreich vervollkommnete. Aber als er sich umwandte, sah er, dass seine Gegner zu viert waren. Sie glaubten, sie hätten von dem Mädchen nichts zu befürchten, deshalb stürzten sich die Diebe alle auf Finnikin.
    „Lass das Schwert fallen!“
    Darauf könnt ihr lange warten, dachte er. Er blickte zu Evanjalin, die am Boden lag. Als sie sich auf Händen und Knien aufrichtete, versetzte ihr der erste Angreifer einen Stoß, und sie stürzte wimmernd zu Boden. Der junge Dieb hielt sie dort fest und schlug ihr gegen den Kopf. Dann setzte er sich rittlings auf sie und durchsuchte ihre Kleidung nach Wertgegenständen. Solche Situationen waren der Grund, weshalb Sir Topher und Finnikin am liebsten allein reisten: Dann mussten sie auf niemanden außer sich selbst aufpassen. Sie mussten niemanden beschützen. Bis sie die Novizin nach Sorel gebracht hatten, würde sie ihre Schwachstelle sein.
    „Lass das Schwert fallen!“
    Ohne Evanjalin aus den Augen zu lassen, legte Finnikin sein Schwert zögernd auf den Boden und trat mit dem Fuß so fest dagegen, dass es über die Pflastersteine schlitterte. Es blieb ein paar Schritte von dem Mädchen entfernt liegen. Finnikin kochte vor Wut, als er mit ansehen musste, wie der Junge weiter unter ihrem Hemd herumfummelte.
    „Zuerst die Taschen!“
    „Wir haben nicht s …“
    Die Schwertspitze wanderte hoch zu seinen Wangen. Er spürte, wie sie seine Haut ritzte, und Blut lief über sein Gesicht. Aber er hatte nur Augen für das, was mit Evanjalin geschah. Schließlich sprang der Junge auf und verschwand in der Nacht.
    Evanjalin schrie, als sie sein blutverschmiertes Gesicht sah. Finnikin wusste, dass ihre Chancen schlecht standen. Die anderen waren zu viert, alle hatten Waffen. Sein Schwert lag unerreichbar zu Füßen des Mädchens, das wie von Sinnen war. Seine drei Messer waren für ihn in diesem Augenblick unerreichbar verstaut: Eines steckte in seinem Ärmel, das zweite in seinem Stiefel, das dritte hatte er am Rücken unter seinem Hemd befestigt.
    „Sag der Kleinen, sie soll aufhören zu schreien!“
    Auch Finnikin wünschte sich nichts mehr, als dass sie endlich still wäre. Er musste nachdenken, und zwar schnell: das Schwer t – zu ihren Füßen. Drei Messer an seinem Körper versteckt. Vier bewaffnete Leute um ihn herum.
    „Sag ihr, sie soll still sein oder ihre Kehle ist als erste dran.“
    „Evanjalin!“, rief Finnikin. „Hör auf!“
    Aber die Novizin war außer sich, ihre Schreie steigerten sich zu einem durchdringenden Geheul.
    Denk nach, Finnikin, denk nach. Dem Nächststehenden das Messer an die Kehle setzen. Das

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