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Winterlicht

Winterlicht

Titel: Winterlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melina Marchetta
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die Novizinnen der Göttin Lagrami oft gesehen. Meine Base war auch eine von ihnen. Sie haben gesungen, gesponnen, sie haben Rosen gepflanzt. Aber sie haben ganz gewiss nicht gekämpft wie die Haudegen der Königlichen Garde. Und noch viel weniger wussten sie, welchen Schaden ein Schwertknauf anrichtet, den man zwischen die Beine eines Mannes rammt.“
    „Die Zeiten haben sich geändert. Sogar Novizen müssen heutzutage lernen, wie man sich verteidigt“, erwiderte Sir Topher. „Warum freust du dich nicht einfach, dass sie beherzt in den Kampf eingegriffen hat?“
    Finnikin schwieg. Er musste daran denken, wie sie ihn zum Pferd geschubst hatte, während sie selbst Trevanions Schwert schwang. Er wusste es besser: Die Novizin hatte nicht nur eingegriffen, sie hatte das Kommando übernommen.
    Als sie am nächsten Morgen erwachten, war sie verschwunden.
    „Sie hat das Pferd und ihr Bündel zurückgelassen; sie hat also vor zurückzukehren“, sagte Sir Topher aufgeregt. „Du musst sie zurückholen. Sofort!“
    „Sie ist bestimmt in die Stadt gegangen, um den Dieb zu suchen“, sagte Finnikin und schüttelte ungläubig den Kopf. „Er hat ihren Ring gestohlen und sie will ihn wiederhaben.“
    Eine von Sir Tophers eisernen Regeln lautete: Gib niemals deinen Gefühlen nach, blicke niemals zurück auf das, was du hinter dir lässt. Finnikins Blick wanderte zur Straße, die sie nach Charyn führen würde. Von dort aus würden sie mit dem Mädchen weiter nach Süden und nach Sorel reisen. Finnikin wusste, wären sie alleine gewesen, dann hätten sie sich eine Zeit lang in Osteria aufgehalten, wo Frieden herrschte. Dort lebte jetzt der Botschafter von Lumatere und half den Bürgern beim Ausbau ihrer Handelsbeziehungen.
    „Nein“, sagte Sir Topher leise, als hätte er Finnikins Gedanken gelesen. „Wir werden sie nicht zurücklassen.“
    Also kehrte Finnikin nach Sprie zurück. Er konnte nur hoffen, dass er weder den vier Männern, die Evanjalin verletzt hatte, noch dem Bauern, der sein gestohlenes Pferd suchte, über den Weg lief. Es würde ihm ohnehin schwerfallen, unauffällig zu bleiben.
    Finnikins Haar war von ungewöhnlicher Farbe, einer Mischung aus Vogelbeerrot und Gold, und er war größer und schlanker als die meisten Leute in Sarnak. Bei Tage war er nicht zu übersehe n – wie auch die Novizin mit ihrem kahl geschorenen Kopf und ihrem groben, grauen Gewand.
    Er musste nicht lange suchen; sie saß zusammengekauert auf einer steinernen Bank neben einer Marktbude und beobachtete aufmerksam die Umgebung aus ihren fremdartigen, dunklen Augen. Neben ihr feilschten ein verzweifelter Händler und ein wählerischer Käufer um einen kleinen, hübschen Dolch. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes erkannte Finnikin die Sklavenhändler aus Sorel. Sie nutzten die Not der Armen aus, die eines ihrer Kinder verkaufen mussten, um die restlichen ernähren zu können. Er hatte gehört, wozu diese Frauen und Kinder gezwungen wurden, und ihm wurde schlecht bei dem Gedanken daran, zu welchen Untaten Männer fähig waren.
    Als er sich Evanjalin näherte, schien ihr Blick ihn zu fragen, weshalb er nicht schon früher gekommen sei. Er unterdrückte seinen Ärger und ließ sich neben ihr nieder. Das Leben mit Sir Topher hatte ihn gelehrt, seine Gefühle im Zaum zu halten.
    „Wer von uns beiden hat hier das Sagen?“, fragte er leise.
    Sie sprach nur mit den Augen, aber das beredt.
    „Diese Hand“, er deutete auf seine Linke, „wenn ich es bin. Die andere Hand“, er zeigte auf seine Rechte, „wenn du es bist.“ Er streckte seine Hände aus und sie tippte sanft auf seine linke Hand.
    Er zog Evanjalin hoch. „Gut“, sagte er, zufrieden mit ihrer Wahl.
    Plötzlich verkrampfte sie sich, warf einen starren Blick über seine Schulte r – und schon war sie an ihm vorbeigeschlüpft. Ihm blieb auch diesmal nichts anderes übrig, als ihr hinterherzulaufen. Er sah noch, wie der junge Dieb im Straßengewirr jenseits des Platzes untertauchte.
    Sie war schnell, das wusste er von letzter Nacht. Obwohl ihr Gewand sie beim Laufen behinderte, hatte Finnikin Mühe, Schritt zu halten. Aber die Verfolgungsjagd war nur von kurzer Dauer, denn der Junge beging den gleichen Fehler wie schon einmal und führte sie in eine Sackgasse.
    Er ist nicht von hier, dachte Finnikin.
    Evanjalin drängte den Jungen in eine Ecke und streckte fordernd die Hand aus. Anstelle einer Antwort schlug er ihr mit dem Handrücken so fest ins Gesicht, dass sie

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