Winterliebe
schwerer Schock - das hatte die Untersuchung von Rüdiger Sommerfeldt ergeben. Bei seiner Frau hatte man ein Schädeltrauma und schwere innere Blutungen festgestellt. Es hatte Lebensgefahr für Mutter und Kind bestanden. Dr. Bertrand Wolling, Chefarzt der Chirurgie, hatte das Baby mittels Kaiserschnitt holen müssen. Es lag nun im Brutkasten, und es war noch nicht sicher, ob es durchkommen würde. Die inneren Blutungen der Mutter hatte Dr. Wolling während einer einstündigen Operation, die vollste Konzentration erfordert hatte, stoppen können. Benita Sommerfeldt hatte sehr viel Blut verloren und etliche Konserven transfundiert bekommen. Nun war sie außer Lebensgefahr, und man würde sie auf der Intensivstation aufmerksam beobachten und ihr jegliche medizinische Behandlung angedeihen lassen, die möglich war.
"Schwester Claudette!”
Die OP-Schwester drehte sich um. Sie war eine schlanke, mittelgroße, gepflegte Frau, blond wie ihre Tochter, und man sah ihr ihre vierzig Jahre selbst nach einer so langen, kräfteraubenden Nachtarbeit nicht an.
"Alles in Ordnung?” erkundigte sich Dr. Wolling.
Claudette Pessacker nickte. "Ja.”
"Sie haben sehr gute Arbeit geleistet”, sagte Dr. Wolling anerkennend.
"Das wird im Allgemeinen von einer OP-Schwester verlangt.”
"Müde?” fragte Dr. Wolling.
"Ein bisschen”, gab Schwester Claudette ehrlich zu.
"Es ist Ihr dritter Nachtdienst in dieser Woche.”
Claudette lächelte. "Ich habe eine Top-Kondition.”
"Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?”
Sie sah den Chirurgen erstaunt an. "Wie kommen Sie dazu?”
"Ich möchte, dass mir jemand Gesellschaft leistet.”
Sie tranken den Kaffee in Dr. Wollings Büro.
"Was hätten Sie gemacht, wenn Sie nicht hätten einspringen müssen?” erkundigte sich der Chefarzt.
"Ich hätte mit meiner Tochter Silvester gefeiert.”
"Sitzt sie jetzt allein zu Hause?” fragte Dr. Wolling.
"O nein. Ein junger Mann hat sie zu einer Riesenfete abgeholt.”
Dr. Wolling nahm einen Schluck vom Kaffee. "Wie heißt Ihre Tochter?”
"Waltraude”, antwortete Schwester Claudette.
"Wie alt ist sie?”
"Einundzwanzig”, sagte die OP-Schwester.
Dr. Wolling staunte. "Das gibt es nicht.” Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Schwester Claudette lachte. "Wieso nicht?”
"Sie können doch nicht schon eine einundzwanzigjährige Tochter haben.”
"Doch”, sagte Schwester Claudette amüsiert.
"Es fällt mir schwer, das zu glauben.”
"Vielen Dank.” Die Worte des Chirurgen schmeichelten der OP-Schwester.
"Haben Sie ein gutes Mutter-Tochter-Verhältnis?” forschte Dr. Wolling weiter.
"Ich denke schon. Ich versuche nicht nur Waltraudes Mutter, sondern auch ihre Freundin zu sein. Zumeist gelingt mir das auch. Waltraude weiht mich fast in all ihre Probleme ein. Es kommt nur ganz selten vor, dass sie mich in irgendeiner Angelegenheit nicht ins Vertrauen zieht.”
"Was werden Sie tun, wenn Ihre Tochter auch so früh Mutter wird, wie Sie es geworden sind?”
Schwester Claudette lächelte. "Ich werde mich freuen.”
"Es würde Ihnen nichts ausmachen?”
Schwester Claudette schüttelte den Kopf. "Nicht das Geringste. Mir ist nur eines wichtig: dass Waltraude glücklich ist.”
Dr. Wolling leerte seine Kaffeetasse. "Wissen Sie, wem es zurzeit besser geht als uns? Unserem Chef Dr. Emmerson. Er macht mit seiner Familie Urlaub im schönen Gerlos, macht Langlauf, geht spazieren, erholt sich prächtig und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein.”
"Er hatte diesen Urlaub schon sehr
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