Winterliebe
Laufen, Radfahren, Schwimmen - es gab nichts an körperlicher Ertüchtigung, was ihm keinen Spaß gemacht hatte. Deshalb hatte er auch essen können wie ein Scheunendrescher, ohne auch nur ein einziges Gramm zuzunehmen.
"Da wären wir”, sagte Waltraude lächelnd.
"Ich habe noch keine Antwort.”
Waltraude sah ihn groß an. "Antwort? Worauf?”
"Ich habe dir einen erfrischenden Neujahrsspaziergang vorgeschlagen. Du hast dich noch nicht dazu geäußert.”
"Ich muss erst mal schlafen”, sagte Waltraude.
"Kein Problem. Sag mir, wann ich dich abholen darf.”
"Wir besprechen das bei einer Tasse Kaffee”, entschied Waltraude spontan und nahm Adalbert mit nach oben, obwohl sie wusste, dass das nicht ungefährlich war.
Adalberts Herz schlug vor Freude Purzelbäume. Waltraude hatte ihm Kaffee angeboten. Ihre Mutter hatte Nachtdienst. Er würde mit Waltraude allein in der Wohnung sein.
Seine Phantasie ging mit ihm durch. Mit vibrierenden Nerven betrat er hinter ihr das dunkle Haus. Sie drückte auf den Fünf-Minuten-Lichtschalter.
Es wurde hell. Adalbert biss sich aufgeregt auf die Lippen. Er malte sich das Zusammensein mit Waltraude in den schillerndsten Farben aus.
Sie nahm seine Hand. Ihm kam vor, als würden ihre Finger glühen. "Komm”, sagte sie heiser. Auch sie war sehr aufgeregt.
Die Wohnung war nicht groß, aber ungemein gemütlich eingerichtet. Adalbert blickte sich angetan um und sagte: "Hier fühlt man sich auf Anhieb wohl.”
Waltraude zog ihren Mantel aus und hängte ihn über einen Kleiderbügel. "Meine Mutter hat einen sehr guten Geschmack.”
"O ja, das sieht man.”
"Möchtest du nicht auch ablegen?”
"Ich?” Er sah sie verwirrt an. "Ab… Ach so. Ja, natürlich.”
Sie wollte ihm helfen.
"Ich mach’ das schon”, sagte Adalbert lächelnd und hängte seinen Mantel selbst auf.
Waltraude zeigte ins Wohnzimmer. "Mach es dir bequem. Der Kaffee ist gleich fertig. Wie möchtest du ihn?”
"Schwarz mit Zucker.”
"Kommt sofort”, sagte Waltraude und ging in die Küche. "Wenn du möchtest, mach Musik!” rief sie.
Er sah sich die CD-Sammlung an, fand Evergreens von Mantovani und ließ sie laufen. Sanfte, einschmeichelnde Geigenklänge füllten den Raum.
Adalbert trat ans Fenster und sah hinaus. Normalerweise brannte um diese Zeit so gut wie nirgendwo mehr Licht, aber dies war eine besondere Nacht, zu schade, um sie zu verschlafen, deshalb waren auch noch viele Menschen wach. In einer der gegenüberliegenden Wohnungen wurde noch eifrig getanzt - aber nicht nach Mantovani. Waltraude brachte den Kaffee. Sie hatte sich umgezogen, trug ein knöchellanges, bequemes, weites Hauskleid.
"Das passt dir sehr gut”, stellte Martin angetan fest. Die Luft knisterte auf einmal merklich zwischen ihnen.
Waltraude errötete leicht. "Findest du?”
"Du siehst in diesem Kleid umwerfend aus.”
Sie stellte das Tablett ab. Ihr Herz schlug schneller. Martin war nett. Sehr nett. Waltraude konnte nicht begreifen, wieso sie ihn so lange mehr oder weniger "übersehen” hatte. Adalbert war ein Mann, der die Beachtung einer Frau verdiente. Sie setzten sich und tranken den Kaffee.
"Schmeckt hervorragend”, sagte Adalbert anerkennend.
"Ist doch nur Kaffee”, erwiderte Waltraude bescheiden.
Adalbert hob die Hand. "Oh, das ist nicht wahr. Zwischen deinem Kaffee und meinem liegen Welten. Du hast bestimmt ein Geheimrezept.”
"Überhaupt nicht.”
Adalbert schmunzelte. Er hatte hübsche Grübchen in den Wangen. "Du willst es mir nicht verraten.”
"Ich nehme bloß Wasser und Kaffee - das ist alles.”
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