Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wintermaerchen

Wintermaerchen

Titel: Wintermaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Helprin
Vom Netzwerk:
rief Trumbull, der ehemalige Chefmechaniker. »Ich glaube, nicht einmal Sie können das in Ordnung bringen. Man könnte manchmal glauben, bei jeder Maschine seien sämtliche Einzelteile zusammengeschweißt!«
    »Mach den Gehäusedeckel wieder drauf!«, befahl Peter Lake dem Lehrling, der ihm einst durch die Stadt gefolgt war.
    »Aber Meister!«, protestierte der junge Mann. Er stand inmitten eines kleinen Gartens aus Pleueln und Eisenstangen, die er aus der Maschine ausgebaut hatte. »Erst muss ich doch alles wieder zusammensetzen!«
    »Rühr dich nicht!«, kommandierte Peter Lake, und vor den Augen des fassungslosen Lehrlings flogen alle Metallteile wie wirbelndes Herbstlaub dahin, wo sie hingehörten: Pleuel fanden mit metallischem Klang ihren Platz, Zahnräder rasteten klickend ein, Flansche prallten mit dumpfem Geräusch aufeinander, und jede einzelne Schraube drehte sich flink wie ein Derwisch in das ihr zugedachte Loch. Wenn ein Einzelteil nicht gleich passen wollte, wackelte es so lange hin und her, bis sich alles wie geölt zusammenfügte. Bei der verrückten Verfolgungsjagd über den Boden der Maschinenhalle mieden die einzelnen Teile, von denen manche ein furchteinflößendes Gewicht hatten, sorgsam die schlotternden Beine des Lehrlings, der vollkommen entgeistert das Spektakel begaffte.
    »Was habt ihr denn sonst noch auseinandergefleddert?«, fragte Peter die anderen.
    Kaum hatten sie ihm die Namen der Maschinen aufgezählt, die sie in ihre Einzelteile zerlegt hatten, da vernahmen sie ein eiliges Klappern und Klirren von Metall, als wären tausend flinke, perfekt aufeinander eingespielte Mechaniker am Werk. Das klang wie eine Sparbüchse aus Blech, die über den Boden rollte, oder wie eine angreifende Armee mit Sporen und Kettenhemden. Es dauerte nicht lange, bis sich die letzten Gehäuseteile zusammengefügt und die letzten Schrauben ihre Löcher gefunden hatten.
    Peter Lake taumelte die Gänge entlang und tätschelte jede einzelne Maschine, als wäre sie eine Kuh. Jede »Kuh« antwortete mit einem tiefen, kraftvollen, gutgeölten Summen, und von da an lief alles, als wäre das Geheimnis des Perpetuum mobile gelöst.
    Als Peter Lake an einem der Generatoren vorbeikam, gingen in der großen Halle die Lichter an. Da brachen die zu Tode erschöpften Mechaniker in Hochrufe aus. Auch die großen Dampfmaschinen kamen langsam in Fahrt. Zischend und puffend entwichen ihnen kleine weiße Wolken. Ihre riesigen Pleuelstangen und Schwungscheiben lieferten die Kraft, die für die gleichmäßige Erzeugung von Licht vonnöten ist. Fügsam bauten sich Magnetfelder in den Spulen auf und bündelten sich zu elektrischen Strömen.
    Während Peter Lake sich mühsam an den Maschinen entlangtastete, gingen nacheinander überall im Gebäude der Sun die Lichter an, und überall jubelten Arbeiter und Angestellte, wie es kurz zuvor die Mechaniker unten im Kellergeschoss getan hatten. Als in der Druckerei die Pressen zu arbeiten begannen, überkam die Drucker eine Woge der Begeisterung, denn sie liebten ihre Arbeit genauso sehr wie Peter die seine.
    Als alle Maschinen liefen, ließ Peter sich in der Nähe einer der gigantischen Pleuelstangen zu Boden gleiten. Beim Anblick des Blutes, das seiner Wunde entströmte, hätten die anderen Mechaniker ihm gerne geholfen, aber er schickte sie fort. Fest davon überzeugt, dass ihrem Mr Überbringer nichts widerfahren konnte, was er nicht guthieß, zogen sie sich zurück.
    Peter Lake fühlte die geballte Stärke der ihn umgebenden Maschinen. Hätten sie bei ihrem Hin und Her nicht selbst für ständigen Ausgleich gesorgt, so wäre er gewiss von den Kräften, die ihn durchströmten, in Stücke gerissen worden. Magnetfelder, irrlichternd wie ein Wetterleuchten am nördlichen Himmel, wollten ihn auf schwanenhalsgleich geschwungenen Kurven in die Höhe reißen. Die schiere Masse schwerer Schwungräder, die glatt und ohne die Spur einer Unwucht rotierten, schlug auf ihn ein wie ein Dampfhammer. Mochten sich einige dieser Räder auch so schnell drehen, dass ihre Speichen nur mehr ein verwischtes Schwirren waren, so empfand er doch absolute Sympathie für jedes einzelne von ihnen, und bei jedem lauten Klicken eines Bolzens meinte er, einen Trommelschlag zu hören. Aber noch stärker als Magnetismus und kinetische Energie wirkte auf ihn das Licht. Es entströmte altmodischen, klaren Glühbirnen in konisch geformten Lampenschirmen, die wie Früchte über den Maschinen hingen. Peter Lake folgte der

Weitere Kostenlose Bücher