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Wintermaerchen

Wintermaerchen

Titel: Wintermaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Helprin
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stiegen in die Schlaufen des Seiles und ließen sich langsam auf den dreißig Fuß tiefer liegenden Boden hinunter.
    Sie kamen ganz leicht und ohne Geräusch auf. Peter Lake blickte in die wirbelnde Finsternis hoch über ihm. »Psst!«, flüsterte er in Cecils Richtung. Der dachte, die Polizei sei in der Nähe.
    »Hörst du es?«
    »Was?«, flüsterte Cecil zurück.
    »Die Musik.«
    »Was für eine Musik?«
    »Klaviermusik, ein sehr weiches und schönes Klavier. Hör doch!« Cecil schloss die Augen, hielt den Atem an und konzentrierte sich. Aber er konnte nichts hören. Peter Lake sagte: »Ah … schön! Wie beruhigend!«
    Cecil hielt noch einmal den Atem an und versuchte es von neuem. »Ich mag Musik«, sagte er eine Minute später, nachdem er wieder ausgeatmet hatte. »Aber ich habe nichts gehört.«
    »Es ist ganz leise. Es schwebt da oben, fast in der Kuppel, wie eine kleine Wolke.«
    Sie glitten über eine kurze Strecke spiegelblank gewienerten Marmors – ihr Weg war vom roten Schein der brennenden Stadt schwach erhellt – und gingen eine breite Treppe hinunter, die zu dem Gewölbe führte, in das man den Tresorraum eingebaut hatte. Ein lächerliches Tor aus bronzefarbenen Stahlstäben war leicht zu überwinden. Man musste das Schloss lediglich mit einem gehärteten Meißel und einem Schmiedehammer aufstemmen. Als sie sich hinter dem Tor befanden, schalteten sie ihre Lampen ein und gingen zum Tresor.
    Der Durchmesser der Tür betrug zehn Fuß, und ihre Scharnierbolzen waren zwei Mal so dick wie ein Hydrant. Die Edelstahlräder und -stangen, die über seine Vorderseite verteilt waren, ließen ihn aussehen wie das Innere eines Unterseebootes. Doch Peter Lake konnte das nicht entmutigen. Er verfiel sofort in eine Analyse in Form eines Monologs von der Art, wie Cecil ihn so oft fasziniert gehört hatte, wenn Mootfowl etwas Schwieriges und Unbekanntes zu verstehen suchte. »Diese Räder hier«, sagte Peter Lake und fasste beim Sprechen die Hälfte der Kreuzräder an, »sollen lediglich beim Tresorkunden Eindruck schinden. Sie werden nur deswegen angebracht, damit es aussieht, als könnte die Tür unmöglich bewegt werden. Sie drehen sich, siehst du? Aber sie haben nicht das Geringste mit dem wirklichen Problem zu tun. Diese beiden –« er streichelte zwei große Speichenräder mit einem Durchmesser von einem Yard – »drehen die vier Riegel. Weiter nichts. Wenn wir sie in Bewegung setzen könnten, würden die Riegel aus den Halterungen herausgleiten, so wie Murmeltiere rückwärts aus ihrem Bau kriechen. Jeder Riegel ist so dick wie ein kleiner Baumstamm, hat also ungefähr den Durchmesser eines Esstellers aus purem Vanadiumstahl. Früher konnte man die Schlösser, sogar die Zeitschlösser, manipulieren. Man musste bohren, um an sie heranzukommen, aber es war möglich. Jetzt haben sie die Mechanismen umgerüstet, sodass sie von diesen kleinen Silikondingern gesteuert werden, groß wie Kekse, aber schlauer als wir. Wenn du sie austricksen willst, müsstest du mit einzelnen Elektronen umgehen können. Mootfowl kann das vielleicht, aber meine Sache ist es nicht. Wir müssen also die Steuerung umgehen, zu den vier Riegeln gelangen und sie zerstören. Das heißt, wir bohren drei Löcher für jeden Riegel und sprengen das eigentliche Schloss in den Safe hinein. Die Rückseite der Tür ist nur mit viertelzölligem Stahlblech verkleidet. Das ist nicht weiter problematisch, aber die Löcher müssen genau sitzen.«
    Er kramte etliche Greifzirkel und Lineale aus der Ledertasche und begann, ein Euklidisches Diagramm in die zum Glück glatte Oberfläche des brünierten Stahls zu ritzen. Er sang beim Arbeiten, worüber Cecil begeistert war (obwohl er das Klavier in der Ferne, das Peter Lake begleitete, nicht hören konnte), denn es klang irgendwie druidisch, einschmeichelnd und orientalisch und erinnerte Cecil an seine Jahre als Tätowierer.
    Nach etwa einer Stunde waren alle Bohrpunkte mit Diamanten markiert. Nachdem sie Ankerlöcher für die Dreifüße gebohrt hatten, die die Bohrer im richtigen Winkel halten sollten, spannten sie die Bohrmaschinen ein und fingen an. Sie arbeiteten mit einem der wassergekühlten elektrischen Düsenbohrer, die Peter Lake bei Zahnärzten gesehen und seinen eigenen Anforderungen bei der Sun angepasst hatte. In kürzester Zeit waren die Löcher gebohrt. Sie gossen Nitroglyzerin aus einem Dutzend Flaschen hinein, versiegelten sie mit Guttapercha, schoben lange Kupferelektroden durch die weiche

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