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Wintermaerchen

Wintermaerchen

Titel: Wintermaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Helprin
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sich genommen keine Bedeutung hatten. Sie dienten nur dazu, ihn an jene zu erinnern, die er geliebt hatte. Sie ließen ihn daran denken, dass die Macht der Liebe, die er erfahren hatte, sich millionenfach fortpflanzte, von einer Seele zur anderen, jede in sich wertvoll, jede heilig, keine jemals verloren. Er glitt durch die Traumbilder hindurch, die tapfer für kurze Zeit auf dem Rauchvorhang aufleuchteten, und er war tief berührt von dem Willen der Dinge, im Licht zu leben.
    Die Bank war ein dräuendes, altes Steingebäude. Jedes Fenster und jede Tür hatte schmiedeeiserne Gitter, die so zart wie Spitze wirkten. Doch die Stäbe waren keineswegs zerbrechliche Ranken, sondern aus gehärtetem Stahl und so dick wie Craig Binkys Kopf.
    »Das ist nun mal wirklich eine bewundernswerte Bank!«, sagte Peter Lake und deutete auf das in vier Fuß hohen Lettern über dem Architrav eingravierte Motto: Sei weder Verleiher noch Borgender!
    »So etwas haben wir eigentlich noch nie gemacht«, meinte Cecil besorgt.
    »Ich schon«, war Peters Antwort. »Jedenfalls beinahe. Ein paar von den Safes, die ich geöffnet habe, waren vermutlich fast so groß wie der dort drin. Alles, was man braucht, sind die richtigen Werkzeuge, Geduld und etwas Übung. Es ist doch nur Metall!«
    »Wie sollen wir reinkommen? Durch die Vordertür?«
    »Wir könnten die Vordertür benützen, denn es ist keine Polizei unterwegs und außerdem dunkel. Aber Banken konzentrieren immer alle Anstrengungen auf die Stellen, die jeder sehen kann. Wir sparen fünfzehn Minuten, wenn wir durch ein Fenster im zweiten Stock auf der Rückseite einsteigen.«
    Sie bogen um eine Ecke und kletterten auf den breiten Sims eines Fensters, vor dem dicke Eisengitter angebracht waren. »Früher hätten wir diese Gitter durchsägen, wegsprengen oder mit einer Schraubenwinde vom Durchmesser einer Telegrafenstange auseinanderdrücken müssen. Aber heutzutage haben wir ja dank der fleißigen Metallurgen diese wundervollen kleinen Dinger hier.« Er griff in seine Werkzeugtasche und zog zwei silbrig glänzende Hebewinden von der Größe eines runden Brotlaibes heraus. Auffallend an ihnen waren die in der Mitte angebrachte Übersetzung und etwas, das wie eine Kombination von einer Gewindestange und einer Bohrknarre aussah. Peter spannte sie zwischen zwei Gitterstäbe und befestigte zerlegbare Kurbeln an ihnen, an denen er und Cecil Mature zu drehen begannen. Nachdem sie eine Minute lang wie von Sinnen gekurbelt hatten, war noch immer keine sichtbare Veränderung festzustellen. Peter Lake erläuterte, Hunderte hauchdünner Zahnräder aus Speziallegierung seien so dicht gepackt, dass sie eine Untersetzung von 2000:1 ergäben. Zwar müssten Cecil und er deshalb lange kurbeln, aber es würde funktionieren, meinte er und deutete auf die kleinen Risse, wo die Gitter in der Wand verankert wären. Es gebe sogar batteriebetriebene Modelle, informierte er seinen Partner, aber wozu eigentlich? Was sollte man denn tun, während das Ding arbeitete? Auf dem Sims sitzen und Brotzeit machen oder Zeitschriften wie Field and Stream lesen? Ihm sei es darum gegangen, mit der Maschine zu arbeiten.
    Bald begannen die Gitterstäbe zu singen wie alte irische Frauen, die im Nebel Schafe hüten. Nach zehn Minuten waren sie so weit auseinander, dass Peter Lake die Schraubenwinden zurückdrehen, sie herausziehen und sich selbst hindurchzwängen konnte. Doch Cecil blieb zwischen ihnen hängen und schaffte es erst, nachdem ihn Peter Lake mit Graphit eingeschmiert hatte und fest an ihm zog. Von der Anstrengung brach Peter Lakes Wunde von neuem auf, und er krümmte sich vor Schmerz.
    »Es ist schon in Ordnung«, erklärte er. »Lass uns weitermachen.« Jetzt war ihnen wieder alles vertraut. Sie arbeiteten zusammen, mit den alten Werkzeugen und einer altmodischen Fenster-Alarmanlage. Sie bohrten ein Dutzend kleine Löcher durch das Band, das beim Zerreißen den Alarm ausgelöst hätte, und verbanden sie mit Kupferdrähten. Nachdem sie sicher sein konnten, dass der Strom nicht unterbrochen werden würde, schnitten sie behutsam ein Stück Glas aus, das sie mit einem doppelten Saugnapf herauszogen und sorgsam zwischen das Fenster und das Gitter stellten. Es war eher ihrem Stolz als ihrer Angst vor der Polizei zuzuschreiben (die ja alle Hände voll zu tun hatte), dass sie sich mit der Alarmanlage so anstrengten. Sie befestigten einen Flaschenzug an den Gittern, schoben sich und ihre Werkzeuge durch die Öffnung der Scheibe,

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