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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wahrscheinlich nicht versucht. Ganz gleich, welche Maßnahmen sie ergriffen, aufgrund der großen Zahl der Fenster war das Haus nur schlecht zu verteidigen. Er konnte lediglich oben von einem Fenster zum anderen eilen - während Heather die im Erdgeschoß überprüfte - und sich vergewissern, daß sie verschlossen waren. Viele von ihnen schienen zu klemmen und nicht leicht zu öffnen zu sein. Eine Scheibe nach der andern enthüllte das elende Treiben von Schnee und Wind. Er konnte nichts Unheimliches sehen. In Heathers Schrank im Schlafzimmer wühlte Jack ihre Wollschals durch und suchte einen grobmaschig gestrickten aus. In einer Kommodenschublade fand er seine Sonnenbrille. Er wünschte, er hätte eine Skibrille, doch die Sonnenbrille mußte reichen. Er konnte die drei Kilometer bis Ponderosa Pines in diesem grellen Licht nicht mit ungeschützten Augen zurücklegen, oder er riskierte eine Schneeblindheit. Als er in die Küche zurückkehrte, in der Heather die Schlösser der letzten Fenster überprüfte, hob er erneut das Telefon ab, in der Hoffnung auf ein Freizeichen. Vergebens. Die Leitung war tot.
    »Ich muß los«, sagte er.
    Ihnen blieben vielleicht nur Stunden oder wertvolle Minuten, bevor ihr rätselhafter Feind sich zu einem Angriff entschloß. Er wußte nicht, ob das Ding schnell oder gemächlich reagieren würde; er kannte seine Gedankenprozesse nicht und konnte einfach nicht ahnen, ob die Zeit eine Bedeutung für das Wesen hatte.
    Außerirdisch. Eduardo hatte recht gehabt. Völlig fremd. Rätselhaft. Unendlich seltsam. Heather und Toby begleiteten ihn zur Haustür. Er umarmte Heather kurz, aber heftig. Er küßte sie nur einmal und verabschiedete sich genauso kurz von Toby. Er wagte keine weitere Verzögerung, denn er war innerlich hin- und hergerissen. Aber Ponderosa Pines war die einzige Hoffnung, die sie hatten. Nicht zu gehen war mit dem Eingeständnis gleichbedeutend, daß sie verloren waren. Doch seine Frau und seinen Sohn allein in diesem Haus zurückzulassen - das fiel ihm so schwer wie noch nie zuvor etwas im Leben. Das war schwerer, als Tommy Fernandez und Luther Bryson an seiner Seite sterben zu sehen, schwerer, als Anson Oliver auf dieser brennenden Tankstelle entgegenzutreten, schwerer als die Erholung von einer Rückgratverletzung. Er redete sich ein, daß es genauso mutig von ihm war, Hilfe zu holen, wie von den beiden, im Haus auszuharren, nicht wegen der schweren Prüfung, die der Sturm vielleicht war; sondern weil seine Trauer und Schuld und Selbstverachtung das Leben dunkler als den Tod machen würden, falls sie starben und er überlebte. Er band sich den Schal um das Gesicht, wickelte ihn vom Kinn bis dicht unter die Augen. Obwohl er zweimal um sein Gesicht ging war der Stoff so locker gewoben, daß er durch ihn atmen konnte. Er zog die Kapuze hoch und verknotete sie unter dem Kinn, um dem Schal Halt zu geben. Er kam sich vor wie ein Ritter, der sich für die Schlacht rüstet. Toby beobachtete ihn und nagte dabei nervös an seiner Unterlippe. Tränen schimmerten in seinen Augen, doch er bemühte sich, sie nicht zu vergießen. Er war eben ein kleiner Held. Jack setzte die Sonnenbrille auf, damit er die Tränen, des Jungen nicht so deutlich sah und sie seinen Entschluß, auf jeden Fall aufzubrechen, nicht unterspülen konnten. Er zog die Handschuhe an und nahm die Mossberg. Der .45er Colt steckte im Hüfthalter. Der Augenblick war da. Heather wirkte betroffen. Er konnte es kaum ertragen, sie anzusehen. Sie öffnete die Tür. Klagender Wind trieb Schnee über die Veranda und ins Haus. Jack trat hinaus und wandte sich zögernd von allem ab, was er liebte. Er trat sich den Weg durch den Pulverschnee auf der Veranda frei. Er hörte, daß sie noch etwas zu ihm sagte: »Ich liebe dich.«
    Der Wind verzerrte die Worte, aber ihre Bedeutung war unmißverständlich. Am Kopf der Verandatreppe zögerte er, drehte sich zu seiner Frau um, sah, daß sie einen Schritt aus dem Haus getreten war, sagte: »Ich liebe dich, Heather!« und ging dann in den Sturm hinaus. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn gehört hatte, wußte nicht, ob er je wieder mit ihr sprechen, sie je wieder in den Armen halten, je wieder die Liebe in ihren Augen oder das Lächeln sehen würde, das für ihn mehr wert war als ein Platz im Himmel und die Erlösung seiner Seele. Der Schnee auf dem Hof war kniehoch. Er kämpfte sich hindurch. Er wagte nicht zurückzusehen. Er wußte, es war von ausschlaggebender Bedeutung, daß er sie

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