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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Hintertür richtete. »Komm schon, wenn du nie Angst hat, komm schon.«
    Doch sie und Toby schrieen vor Überraschung auf, als im Wohnzimmer mit voll aufgedrehter Lautstärke das Fernsehgerät ansprang.
    Hektische, donnernde Musik. Ein Zeichentrickfilm. Kreischende Bremsen, ein Knall und ein Scheppern, dazu die komische Begleitung einer Flöte. Dann die Stimme des frustrierten Elmer Fudd, der durchs Haus brüllte: »OOOHHH, ICH KANN DIESES KANINCHEN EINFACH NICHT AUSSTEHEN!«
    Heather konzentrierte sich weiterhin auf die fünfzehn Meter entfernte Hintertür.
    Bugs Bunny sprach mit einer solchen Lautstärke, daß jedes Wort die Fensterscheiben vibrieren ließ: »HE, IS WAS, DOC?«
    Und dann ein lauter Aufprall: BOING, BOING, BOING, BOING, BOING.
    »HÖR AUF DAMIT, HÖR AUF DAMIT, DU VERRÜCKTES KANINCHEN!« Falstaff lief ins Wohnzimmer, bellte das Fernsehgerät an, und kehrte dann wieder in die Diele zurück, sah an Heather vorbei, dorthin, wo noch immer der wirkliche Feind wartete. Zur Hintertür.
    Schnee trieb durch die schmale Öffnung. Im Wohnzimmer verstummte der Fernseher inmitten eines langgezogenen Posaunenglissandos, das selbst unter diesen Umständen ein Bild des unglücklichen Elmer Fudd hervorrief, der unausweichlich von einem Verderben ins nächste schlitterte. Dann Stille. Nur der heulende Wind draußen. Eine Sekunde. Zwei. Drei. Dann plärrte das Fernsehgerät wieder los, aber diesmal nicht mit Bugs Bunnys und Elmers Stimmen. Der Apparat spuckte vielmehr dieselben unheimlichen, unmelodischen Tonwellen aus, die auch aus dem Radio in der Küche gedrungen waren.
    »Wehre dich!« sagte Heather scharf zu Toby.
    Die Hintertür. Schneeflocken wirbelten durch den Spalt. Komm schon, komm schon. Sie hielt den Blick auf die Hintertür gerichtet, auf die gegenüberliegende Seite der erhellten Küche.
    »Hör nicht darauf, Schatz«, sagte sie, »sag ihm einfach, es soll verschwinden, sag nein, nein, nein, nein.«
    Die Musik, die abwechselnd wütend und besänftigend, aber nie melodiös klang, drang mit scheinbar körperlicher Gewalt auf Heather ein, wenn sie lauter wurde, zog an ihr, wenn sie wieder leiser wurde, stieß und zog, bis Heather klar wurde, daß sie genauso schwankte, wie Toby unter dem Bann des Radios in der Küche geschwankt hatte. Bei einer der leiseren Stellen hörte sie ein Murmeln. Tobys Stimme. Die Worte konnte sie nicht verstehen. Sie sah ihn an. Er wies wieder diesen benommenen Gesichtsausdruck auf. Entrückt. Er bewegte die Lippen. Vielleicht sagte er »Ja, ja!«, aber sie war sich nicht ganz sicher. Die Küchentür. Sie stand noch immer fünf Zentimeter weit offen, wie die ganze Zeit schon. Irgend etwas wartete noch immer auf der Veranda. Sie wußte es. Der Junge flüsterte mit seinem unsichtbaren Verführer, leise, drängende Worte, bei denen es sich um die ersten stockenden Schritte der Einwilligung oder völligen Unterwerfung han deln konnte.
    »Scheißel« sagte sie.
    Sie trat zwei Schritte zurück, drehte sich zum Türbogen des Wohnzimmers um und eröffnete das Feuer auf das Fernsehgerät. Eine kurze Salve, sechs oder acht Schuß, die in den Bildschirm schlugen. Die Bildröhre explodierte, dünne, weiße Rauchstreifen hoben sich von den zerschmetterten elektronischen Teilen in die Luft, und der dunkle, verlockende Sirenengesang war von dem Rattern der Uzi endgültig zum Schweigen gebracht worden. Ein starker, kalter Wind wehte durch die Diele, und Heather wirbelte zur Rückseite des Hauses herum. Die Hintertür stand nicht mehr einen Spaltbreit, sondern völlig offen. Sie sah die schneebedeckte Veranda und dahinter den aufgewühlten weißen Tag. Der Geber war zuerst aus einem Traum gekommen. Nun war er aus dem Sturm gekommen. Er lauerte irgendwo in der Küche, rechts oder links von der Tür, und Heather hatte die Gelegenheit verpaßt, ihn beim Betreten des Hauses niederzumähen.
    Wenn er sich direkt auf der anderen Seite der Schwelle zwischen Diele und Küche befand, war er bis auf siebeneinhalb Meter herangekommen. Er war wieder gefährlich nah. Toby stand auf der ersten Treppenstufe. Sein Blick war wieder klar, aber er zitterte und war bleich vor Schrecken. Der Hund stand hinter ihm und sog wachsam die Luft ein. Hinter ihr brach mit einem lauten Scheppern und Klirren ein anderer Turm aus Töpfen, Pfannen, Schüsseln, Gläsern und Tellern zusammen. Toby schrie auf, Falstaff bellte wieder wie verrückt, und Heather fuhr herum. Ihr Herz hämmerte so heftig, daß ihre Arme zitterten

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