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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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in einem strafenden Strom aus der Mündung schossen, so glatt und problemlos wie Wasser aus einem Schlauch. Die Waffe würde nicht klemmen, nicht in einer Million Jahren. Aber, großer Gott...was, wenn sie doch blockierte? Die Tür wurde weiter aufgeschoben. Ein schmaler Spalt.
    Drei Zentimeter. Dann fünf. Etwas schlängelte sich ein paar Zentimeter über der Klinke durch die Lücke. In diesem Augenblick wurde der Alptraum bestätigt, das Unwirkliche wirklich, das Unmögliche plötzlich wahr, denn es handelte sich um einen Tentakel, der hauptsächlich schwarz, aber mit einigen roten Punkten gesprenkelt war, so leuchtend und glänzend wie nasse Seide, an der dicksten Stelle, die sie sehen konnte, einen Durchmesser von vielleicht fünf Zentimetern hatte und an der Spitze so dünn wie ein Regenwurm war. Er tastete sich in die warme Luft der Küche, zog sich fließend zusammen und streckte sich obszön wieder aus. Das genügte. Sie mußte nicht mehr sehen, wollte nicht mehr sehen, und eröffnete das Feuer. Ratataratata-ratata. Der kurze Druck auf den Abzug ließ sechs oder sieben Kugeln aus der Waffe schießen, die Löcher in die Eichentür rissen und ihren Rand zerfetzten. Die ohrenbetäubenden Detonationen hallten in der Küche von einer Wand zur anderen, scharfe Echos, die sofort wieder von neuen Echos überlagert wurden. Der Tentakel zuckte mit der Bereitwilligkeit einer geschmeidigen Peitsche zurück. Heather hörte keinen Ruf, keinen überirdischen Schrei. Sie wußte nicht, ob sie das Ding verletzt hatte oder nicht. Sie würde ihm nicht folgen und auf die Veranda sehen, auf keinen Fall, und sie würde nicht abwarten, ob es ein zweitesmal - und dann vielleicht aggressiver - in die Küche stürmte. Da sie nicht wußte, wie schnell das Geschöpf sich bewegen konnte, mußte sie eine größere Distanz zwischen sich und die Hintertür bringen. Sie griff nach dem Benzinbehälter neben sich, hielt die Uzi mit einer Hand und ging rückwärts in die Diele hinaus, wäre dabei fast über den Hund gestolpert, der sich mit ihr zurückzog.
    Sie ging zum Fuß der Treppe, wo Toby auf sie wartete.
    »Mom?« sagte er. Seine Stimme war angespannt vor Furcht. Wenn sie durch Diele und Küche sah, konnte sie die Hintertür im Blick halten, weil sie sich in einer direkten Linie mit ihr befand. Sie blieb geöffnet, doch noch erzwang sich niemand Einlaß. Sie wußte, daß der Eindringling sich noch auf der hinteren Veranda befinden und die Klinke festhalten mußte, weil sonst der Sturm die Tür ganz aufgestoßen hätte. Worauf wartete das Ding? Hatte es Angst vor ihr? Nein.
    Toby hatte gesagt, daß es nie Angst hatte. Ein anderer Gedanke ließ sie erzittern: Wenn es den Begriff des Todes nicht verstand, bedeutete dies, daß es nicht sterben, nicht getötet werden konnte. In diesem Fall wären Waffen nutzlos. Und doch wartete und zögerte es. Vielleicht hatte es Toby belogen, und vielleicht war es genauso verletzlich wie sie, oder sogar noch verletzbarer. Wunschdenken. Aber etwas anderes blieb ihr nicht. Sie befand sich nicht ganz auf halber Höhe der Diele. Zwei weitere Schritte würden sie dorthin bringen, zwischen die geschwungenen Türöffnungen zum Eß- und Wohnzimmer. Aber sie war weit genug von der Hintertür zurückgewichen, um das Ding zu erwischen, falls es mit unnatürlicher Schnelligkeit und Kraft in das Haus stürmen sollte. Sie blieb stehen, stellte den Benzinbehälter neben dem Treppenpfosten auf den Boden und nahm die Uzi wieder in beide Hände.
    »Mom?«
    »Psst.«
    »Was machen wir jetzt?« fragte er.
    »Psst. Laß mich nachdenken. «
    Offensichtlich waren gewisse Bestandteile des Eindringlings schlangenähnlich, wenngleich sie nicht wissen konnte, ob sein gesamter Körper oder lediglich einzelne Anhängsel so beschaffen waren. Die meisten Schlangen konnten sich schnell bewegen - oder sich zusammenrollen und mit tödlicher Genauigkeit beträchtliche Entfernungen springend zurücklegen. Die Tür stand weiterhin offen. Nichts rührte sich. Schneeflocken trieben durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen ins Haus, senkten sich und blieben funkelnd auf dem gefliesten Boden liegen. Ob das Ding auf der Veranda nun schnell war oder nicht, auf jeden Fall war es riesig. Sie hatte seine beträchtliche Größe geahnt, als es von dem Fenster zurückgewichen war und sie einen kurzen Blick auf seine Masse geworfen hatte. Es war größer als sie.
    »Komm schon«, murmelte sie, während sie ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die

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