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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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überprüfte auch den Schrank in der Diele. Niemand. Die Eingangstür stand noch immer offen. Er wußte nicht, was er tun sollte. Er hätte sie gern offenstehen lassen, weil er dann im Notfall schneller aus dem Haus käme. Doch wenn er andererseits das Haus von oben bis unten durchsuchte und niemanden darin fand, müßte er die Tür anschließend zusperren und noch einmal von vorn anfangen, weil die Möglichkeit bestand, daß sich jemand ins Haus schlich, während er ein Zimmer nach dem anderen absuchte. Zögernd schloß er die Tür und legte den Riegel vor. Die beigefarbene Tapete, die er im gesamten Obergeschoß verwendet hatte, führte auch den Aufgang mit der Eichentreppe und ihrem schweren Geländer hinab. Auf einigen der unteren Stufen lagen trokkene Erdbrocken. Sie waren ziemlich klein, gerade so groß, daß er sie bemerkte. Er sah zum oberen Stockwerk hinauf. Nein. Zuerst das Parterre. Er fand nichts in der Toilette, in dem Schrank unter der Treppe, dem großen Eßzimmer, dem Wäscheraum und dem Bad. Aber in der Küche entdeckte er wieder Erde, mehr als überall sonst. Die Reste seines Abendessens - Rigatoni, Salami und Weißbrot standen auf dem Tisch, wie er sie hinterlassen hatte, als er von dem Waschbären - und seinem krampfartigen Tod - unterbrochen worden war. Flecken mittlerweile getrockneter Erde markierten den Rand der Fläche von der er gegessen hatte. Dort war der Tisch mit erbsengroßen, trockenen Lehmklumpen bedeckt. Ein pikförmiges Blatt hatte sich dort zusammengerollt, und daneben lag ein toter Käfer von der Größe eines Pennys. Der Käfer lag auf dem Rücken und hatte seine sechs steifen Beine in die Luft gestreckt. Als Eduardo Fernandez ihn mit einem Finger anschnippte, sah er, daß sein Panzer blaugrün leuchtete. Auf der Stuhlfläche klebten zwei flache Erdbrocken, dünn wie Pfannkuchen, groß wie Dollarstücke. Auf dem Eichenparkett neben dem Stuhl und vor dem Kühlschrank lag ebenfalls Erde. Alles wohl zwei, drei Eßlöffel voll Erde, außerdem ein paar Grashalme, ein weiteres totes Blatt und ein Wurm. Der Wurm lebte noch, hatte sich aber zusammengerollt und war schon fast ausgetrocknet. Eine Gänsehaut am Nacken und die plötzliche Überzeugung, beobachtet zu werden, ließen ihn die Schrotflinte mit beiden Händen packen. Er drehte sich erst zu dem einen, dann zu dem anderen Fenster um. In seiner Phantasie hatte er sich ausgemalt, wie sich ein bleiches, gespenstisches Gesicht gegen die Scheibe drückte, doch dem war nicht so. Nur die Nacht. Der Chromgriff des Kühlschranks war stumpf vor Dreck, und er faßte ihn nicht an. Er öffnete die Tür, indem er sie an der Kante aufzog. Die Lebensmittel und Getränke darin schienen unberührt zu sein, alles war genau so, wie er es hinterlassen hatte. Die Doppeltüren des Herdes standen offen. Er schloß sie, ohne die Griffe zu berühren, die stellenweise ebenfalls mit nicht zu identifizierendem Schmutz verschmiert waren. An einer scharfen Kante der Ofentür hing ein abgerissener Stoffetzen, vielleicht einen Zentimeter breit und nicht ganz einen lang. Er war hellblau und von einer geschwungenen Krümmung aus dunklerem Blau durchzogen, bei der es sich um den Teil eines sich wiederholenden Musters auf dem helleren Untergrund handeln mochte. Eduardo starrte den Stoffetzen schier eine Ewigkeit lang an. Die Zeit schien stehenzubleiben, und das Universum verharrte wie das Pendel einer kaputten Standuhr - bis sich eisige Nadeln der Furcht in seinem Blut bildeten und ihn so heftig erzittern ließen, daß seine Zähne tatsächlich klapperten. Der Friedhof... Er fuhr erneut zu den beiden Fenstern herum, konnte draußen jedoch nichts ausmachen. Nur die Nacht. Das blinde, leere, uninteressante Antlitz der Nacht. Er suchte das Obergeschoß ab. In den meisten Zimmern fand er verräterische Erdklumpen, -brocken und -flecken, die allmählich trockneten. Ein weiteres Blatt. Noch zwei Käfer, so trocken wie uralter Papyrus. Ein Kieselstein von der Größe eines Kirschkerns, glatt und grau. Er bemerkte, daß auch einige Steckdosen und Lichtschalter beschmutzt waren. Danach schaltete er das Licht an, indem er die Schalter mit dem Ellbogen oder dem Lauf der Schrotflinte betätigte. Nachdem er alle Zimmer untersucht, alle Schränke durchstöbert, die Hohlräume unter und hinter allen Möbelstücken inspiziert hatte, die so groß waren, daß sich darin vielleicht ein sieben- oder achtjähriges Kind verstecken konnte, und überzeugt war, daß sich im Obergeschoß

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