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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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werden. Man hätte mit ihm gesprochen, als wäre er wieder in seine Kindheit zurückgefallen. Er kannte sich. Er würde mit Starrsinn und Verachtung darauf reagieren und seine Wohltäter so sehr gegen sich aufbringen, daß sie vielleicht einen Gerichtsbeschluß erwirkten, ihm einen Vormund vorzusetzen, der ihn dann für den Rest seiner Tage in ein Altenheim oder eine andere Anstalt einweisen ließ. Er hatte ein langes Leben gehabt und gesehen, wie viele Menschen von Leuten ruiniert worden waren, die angeblich nur die besten Absichten hatten, in Wirklichkeit aber selbstgefällig und eiskalt waren- Man würde gar nicht bemerken, daß ein weiterer alter Mann vernichtet wurde, und er hatte keine Frau oder Kinder, keine Freunde oder Verwandte, die ihm gegen die mörderische Freundlichkeit des Staates beistehen würden. Indem er die toten Tiere Potter für Tests und eine Autopsie zur Verfügung gestellt hatte, war er so weit gegangen, wie er es wagen konnte. Angesichts der unmenschlichen Natur des Wesens, das die Waschbären beherrschte, machte Eduardo sich jetzt allerdings Sorgen, Travis Potter irgendeinem Risiko auszusetzen, das er nicht vorhersehen konnte. Eduardo hatte jedoch Andeutungen darüber gemacht, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging, und Potter schien einen gesunden Menschenverstand zu haben. Der Tierarzt wußte, welche Risiken eine unbekannte Krankheit mit sich bringen konnte. Er würde alle Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Ansteckung ergreifen, und sie würden wahrscheinlich auch wirksam gegen die nicht abschätzbaren und überirdischen Gefahren sein, die die Kadaver über eine mikrobiotische Infektion hinaus mit sich bringen könnten. Weit vor dem Cherokee leuchteten im Meer der Nacht die Lichter in den Häusern einiger Familien, die er nicht kannte. Zum erstenmal in seinem Leben wünschte Eduardo, er würde sie kennen, ihre Namen und Gesichter, ihre Geschichten und Hoffnungen. Er fragte sich, ob vielleicht irgendein Kind auf einer fernen Veranda oder hinter einem Fenster saß, auf die weite Ebene hinausschaute und die Scheinwerfer des Cherokees sah, der sich durch die Dunkelheit des Junis den Weg gen Westen bahnte. Ein Junge oder ein Mädchen, voller Pläne und Träume, fragte sich vielleicht, wer hinter diesen Lichtern in der Dunkelheit saß, was für ein Ziel er hatte, wie sein Leben aussah. Der Gedanke an solch ein Kind draußen in der Nacht gab Eduardo ein seltsames Gefühl von Gemeinschaft, das völlig unerwartete Gefühl, daß er Teil einer Familie war, ob er es nun wollte oder nicht, der Familie der Menschheit, einer eher enttäuschenden und streitsüchtigen Sippe, voller Schwächen und oft zutiefst verwirrt, aber gelegentlich auch edel und bewundernswert, mit einem gemeinsamen Schicksal, das jedes Mitglied der Familie teilte. Für ihn war das eine ungewöhnlich optimistische und philosophisch großzügige Sichtweise seiner Mitmenschen, die der Sentimentalität unangenehm nahe kam. Aber er war darüber mindestens genauso gerührt wie erstaunt. Er war davon überzeugt, daß das, was über die Schwelle gekommen war, der Menschheit gegenüber feindselig eingestellt war, und sein Scharmützel mit ihm hatte ihn daran erinnert, daß dies eigentlich auch für die gesamte Natur zutraf. Das Universum war kalt und interessierte sich nicht für das Schicksal eines einzelnen, vielleicht, weil Gott es so geschaffen hatte, um gute Seelen von schlechten unterscheiden zu können. Niemand konnte in zivilisierter Behaglichkeit ohne die Kämpfe und schwer errungenen Erfolge sowohl jener Menschen überleben, die von ihm gekommen waren, als auch der, die seine Zeit auf Erden mit ihm teilten. Wenn ein neues Böses die Erde betreten hatte, das die Bösartigkeit, zu der manche Menschen fähig waren, in den Schatten stellte, würde die Menschheit dringender denn je zuvor auf ihrer langen und mühevollen Reise ein Gefühl von Gemeinschaft brauchen. Das Haus kam in Sicht, als er ein Drittel der fast einen Kilometer langen Auffahrt zurückgelegt hatte, und er fuhr weiter hügelaufwärts und hatte sich dem Anwesen bis auf siebzig oder achtzig Meter genähert, als er bemerkte, laß etwas nicht stimmte. Er trat voll auf die Bremse. Bevor er nach Eagle's Roost gefahren war, Latte er in jedem Zimmer das Licht eingeschaltet. Er erinnerte sich deutlich daran, daß alle Fenster erhellt waren, als er losgefahren war. Sein kindliches Zögern, in ein dunkles Haus zurückzukehren, hatte ihn peinlich berührt. Nun...jetzt war das

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