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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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etwas an dem Inhalt des Siebs zu schaffen machte - vor allem, wenn er die ganze Nacht in der Küche verbrachte, wie er es vorhatte. Er wußte nicht genau, ob der Reisende die tote Krähe holen würde. Vielleicht irrte er sich, und das fremde Wesen hatte gar kein Interesse an seinem Stellvertreter. Doch der Vogel hatte länger durchgehalten als die Eichhörnchen, und die wiederum hatten länger durchgehalten als die Waschbären, und der Puppenspieler würde es vielleicht ganz lehrreich finden, den Kadaver zu untersuchen, um den Grund dafür zu erfahren. Doch diesmal konnte er sich keines Eichhörnchens bedienen. Auch nicht eines cleveren Waschbären. Eduardo hatte dafür gesorgt, daß er sich eines Wesens bedienen mußte, das mehr Kraft und größere Gewandtheit hatte. Er betete, daß der Reisende sich der Aufgabe selbst stellen und zum erstenmal erscheinen würde. Komm schon. Doch auch wenn er das andere Ding schickte, das unaussprechliche, die verlorene Lenore, würde Eduardo diesen Schrecken ertragen. Erstaunlich, was ein Mensch alles aushalten konnte. Erstaunlich, wie stark ein Mensch sein konnte, selbst im Schatten bedrückenden Entsetzens, selbst im Griff des Grauens, selbst, wenn er nur dunkelste Verzweiflung empfand. Die Krähe war wieder bewegungslos. Stumm. Mausetot. Eduardo drehte sich um und sah zum Wald hinauf. Komm schon. Komm schon, du Arschloch.
    Zeig mir dein Gesicht, zeig mir dein stinkendes, häßliches Gesicht.
    Komm schon, krieche aus deinem Versteck, damit ich dich sehen kann. Sei nicht so feige, du verdammtes Ungetüm. Eduardo ging ins Haus. Er schloß die Tür, verriegelte sie aber nicht. Nachdem er die Rouleaus vor den Fenstern hinabgelassen hatte, damit nichts ihn beobachten konnte, ohne daß er es bemerkte, setzte er sich an den Küchentisch und versuchte, sein Tagebuch auf den neuestes Stand zu bringen. Er füllte mit seiner ordentlichen Schrift drei weitere Seiten und schloß dann seinen eventuell letzten Eintrag ab. Er wollte, daß man des gelben Notizblock fand, falls ihm etwas zustieß - aber nicht zu leicht. Er legte ihn in eine große Plastiktüte, wickelte sie mehrmals darum, um das Papier vor Kälte und Feuchtigkeit zu schützen, und legte die Tüte zwischen Packungen mit Tiefkühlkost in die Gefriertruhe, die mit dem Kühlschrank eine große Kombination bildete. Draußen dämmerte es. Die Zeit der Wahrheit rückte schnell näher. Er hatte nicht damit gerechnet, daß das Wesen aus dem Wald bei Tageslicht erscheinen würde. Er spürte, daß es ein Geschöpf mit nächtlichen Gewohnheiten und Vorlieben war, von der Dunkelheit hervorgebracht.
    Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. War doch scheißegal. Es war sein erstes seit mehreren Stunden. Obwohl er bei der bevorstehenden Konfrontation nüchtern sein wollte, lag ihm nicht daran, einen völlig klaren Kopf zu haben. Manchen Dingen konnte man besser die Stirn bieten, wenn das Empfindungsvermögen leicht betäubt war. Die Sonne war kaum im Westen untergegangen, und er hatte das Bier noch nicht ausgetrunken, als er auf der hinteren Veranda ein Geräusch hörte. Ein dumpfer Schlag und ein Kratzen, dann noch ein dumpfer Schlag. Eindeutig nicht die sich bewegende Krähe. Geräusche eines schwereren Körpers. Irgendwie ein unbeholfenes Geräusch, als versuchte jemand ungeschickt, aber entschlossen, die drei Stufen vom Rasen zur Veranda hinaufzusteigen.
    Eduardo erhob sich und griff nach dem Schrotgewehr. Seine Handflächen waren schweißfeucht, aber er konnte die Waffe noch halten.
    Noch ein Schlag und ein körniges Kratzen. Sein Herz schlug schnell wie das eines Vogels, schneller, als das der Krähe je geschlagen hatte. Der Besucher - von welcher Welt auch immer er kam, wie auch immer er hieß, ob er nun tot oder lebendig war - hatte die oberste Stufe erreicht und kam über die Veranda zur Tür. Keine dumpfen Schläge mehr. Nur noch ein Schleppen und Schlurfen, ein Gleiten und Kratzen. Dank der Bücher, die Eduardo in den letzten paar Monaten gelesen hatte, stiegen ihm sofort zahlreiche Bilder verschiedener unirdischer Geschöpfe in den Sinn, die statt normaler Schritte solch ein Geräusch hervorbringen konnten. Jedes dieser imaginären Geschöpfe hatte ein feindseligeres Äußeres als das vorherige, bis der Verstand des alten Mannes vor Ungeheuern überquoll. Eins davon war kein unirdisches, gehörte eher zu Poe als zu Heinlein, Sturgeon oder Bradbury, entstammte eher dem Schauerroman als der ScienceFiction, kam nicht nur von,

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