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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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mit dem Herzen im Hochland von Montana, östlich von den Rokkies, während er gleichzeitig noch immer versuchte, die Füße aus dem Sumpf von L. A. zu ziehen. Da sie nicht mehr jeden Dollar brauchten, den das Haus wert war, hatten sie es unter dem Marktwert angeboten. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Bedingungen wurden sie es schnell los. Am achtundzwanzigsten Oktober unterschrieben sie mit einem solventen Interessenten einen Kaufvertrag mit einem Zahlungsziel von sechzig Tagen, und sie hatten genug Vertrauen zu ihrem Makler, ihm den Abschluß des Kaufes zu überlassen und endlich ihr neues Leben zu beginnen. Am vierten November brachen sie in einem Ford Explorer, den sie von einem Teil der Erbschaft erstanden hatten, zu ihrem neuen Heim auf. Jack bestand darauf, morgens um sechs Uhr loszufahren, denn er wollte nicht noch an seinem letzten Tag in der Stadt wieder in einen frustrierenden Verkehrsstau geraten. Sie nahmen nur ein paar Koffer und Kisten mit persönlichen Besitztümern mit, Jacks Büchersammlung hatten sie als Fracht aufgegeben. Weitere Fotos, die Paul Youngblood geschickt hatte, hatten ihnen gezeigt, daß das Haus in einem Stil eingerichtet war, dem sie sich problemlos anpassen konnten. Sie mußten vielleicht ein paar der gepolsterten Möbelstücke ersetzen, aber viele Einrichtungsgegenstände waren Antiquitäten von hoher Qualität und beträchtlicher Schönheit. Sie verließen die Stadt auf der Interstate 5 und sahen kein einziges Mal zurück, als sie über die Hügel Hollywoods und dann in nördliche Richtung fuhren, vorbei an Burbank, San Fernando, Valencia, Castaic und den letzten Vororten, in den Angeles National Forest, vorbei am Pyramid Lake und zwischen der Sierra Madre und den Tehachapi-Bergen durch den Tejon-Paß. Jack fühlte, wie er sich Kilometer um Kilometer von einer gefühlsmäßigen und geistigen Dunkelheit befreite. Er kam sich vor wie ein Schwimmer, den eiserne Fesseln und Klötze hinabgezogen hatten und der fast in den Tiefen des Ozeans ertrunken wäre, sich nun aber befreit hatte und der Oberfläche entgegenstrebte, dem Licht, der Luft. Toby wurde von dem riesigen Ackerland neben dem Highway in Erstaunen versetzt, und Heather fütterte ihn mit Informationen aus einem Reiseführer. Das San Joaquin Valley war über zweihundertdreißig Kilometer lang und wurde im Westen von der Diablo-Bergkette und im fernen Osten von den Ausläufern der Sierras begrenzt. Diese Tausende von Quadratkilometern zählten zum fruchtbarsten Ackerboden auf der ganzen Welt und erzeugten achtzig Prozent der Landesproduktion an Gemüse und Melonen, fünfzig Prozent der Produktion von Obst und Mandeln und vieles mehr. Sie hielten an einem Verkaufsstand am Straßenrand und kauften ein Pfund geröstete Mandeln für ein Viertel dessen, was sie in einem Supermarkt bezahlt hätten. Jack stand neben dem Wagen, verzehrte eine Handvoll Mandeln und betrachtete die Felder und Obstbaumhaine. Der Tag war gesegnet ruhig, die Luft sauber. Wenn man in der Stadt wohnte, vergaß man schnell, daß es auch andere Lebensweisen gab, andere Welten als die der brodelnder Straßen des menschlichen Bienenstockes. Jack McGarvey war ein Schläfer, der aufwachte und sich in einer echten Welt wiederfand, die vielfältiger und interessanter war als die Träume, die er fälschlicherweise für die Wirklichkeit gehalten hatte. Auf dem Weg zu ihrem neuen Leben erreichten sie an diesem Abend Reno, am nächsten Salt Lake City und Eagle s Roost in Montana am Nachmittag des sechsten November. Wer die Nachtigall stört war einer von Jacks Lieblingsromanen, und Atticus Finch, der mutige Anwalt aus diesem Buch, hätte sich in Paul Youngbloods Kanzlei im oberen Stock des lediglich zweistöckigen Gebäudes in Eagle's Roost wohl gefühlt. Die hölzernen Jalousien stammten aus der Mitte des Jahrhunderts. Die Wandtäfelung, Bücherregale und Schränke aus Mahagoni waren von jahrzehntelangem Polieren spiegelblank. Der Raum strahlte eine Aura der Vornehmheit aus, der gebildeten Ruhe, und die Regale enthielten nicht nur Fachbücher über Jura, sondern auch Geschichts- und Philosophiewerke.
    Der Anwalt begrüßte sie tatsächlich mit einem: »Howdy, Nachbarn! Was für eine Freude das ist, eine echte Freude.« Er hatte einen festen Händedruck und ein Lächeln wie weicher Sonnenschein auf Bergwipfeln.
    Paul Youngblood wäre in L. A. niemals als Anwalt erkannt worden, und wenn er die protzigen Büros der bekannten Kanzleien in Century City betreten hätte,

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