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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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müssen etwas zu tun haben.«
    »Vielleicht kann ich in Eagle's Roost ein Geschäft aufmachen.«
    »Was für eins?«
    »Keine Ahnung. Irgendwas«, sagte sie. »Wir können doch hinfahren und uns die Stadt einfach mal ansehen, und vielleicht fällt uns auf Anhieb was ein. Und wenn nicht...na ja, wir müssen doch nicht ewig dort leben. Ein, zwei Jahre, und wenn es uns nicht gefällt, können wir die Ranch verkaufen.«
    Er trank sein Glas aus und schenkte sich und seiner Frau nach. »Toby muß in zwei Wochen wieder in die Schule...«
    »Auch in Montana gibt es Schulen«, sagte sie, obwohl sie wußte, daß er sich nicht darüber den Kopf zerbrach. Er dachte zweifellos an das elfjährige Mädchen, das einen Häuserblock von der Grundschule entfernt erschossen worden war, auf die Toby gehen würde.
    »Er hat dann sechshundert Morgen, auf denen er spielen kann, Jack«, bedrängte sie ihn. »Wie lange will er schon einen Hund haben, einen Golden Retriever? Aber dieses Haus kam uns dafür immer zu klein vor...«
    Jack betrachtete einen der Schnappschüsse. »Auf der Arbeit haben wir uns heute über all die Namen unterhalten, die diese Stadt hat.«, sagte er. »Viel mehr Namen als andere Städte. New York ist der Big Apple, und damit hat es sich. Aber L. A. hat viele Namen - und keiner paßt mehr zu der Stadt, keiner hat mehr eine Bedeutung. Big Orange zum Beispiel. Aber hier gibt es keine Orangenhaine mehr. Die mußten schon vor geraumer Zeit Eigentumswohnungen und Einkaufszentren weichen. Man nennt L. A. die Stadt der Engel, aber hier passieren schon lange keine engelhaften Dinge mehr, jedenfalls nicht wie früher. Dafür gibt es zu viele Teufel auf den Straßen.«
    »Die Stadt, in der Stars geboren werden«, sagte sie.
    »Und neunhundertneunundneunzig von tausend Kindern, die hierherkommen, um Filmstar zu werden - was passiert mit denen? Wie viele davon enden mißbraucht, zerbrochen und drogenabhängig?«
    »Die Stadt, in der die Sonne untergeht.«
    »Na ja, die geht noch immer im Westen unter«, sagte er und griff nach einem anderen Foto von Montana. »Die Stadt, in der die Sonne untergeht...Da denkt man an die dreißiger und vierziger Jahre, an den Swing, an Männer, die zur Begrüßung den Finger an die Hutkrempe legen und Damen in langen schwarzen Cocktailkleidern die Tür aufhalten, an elegante Nachtklubs mit Blick auf den Ozean, an Bogart und Bacall, Gable und Lombard, Leute, die Martinis trinken und goldene Sonnenuntergänge beobachten. Das alles gibt es nicht mehr. Oder kaum mehr. Heute nennt man L. A. die Stadt des sterbenden Tages.«
    Er verstummte. Legte die Fotos nebeneinander und betrachtete sie. Sie wartete.
    Schließlich sah er auf. »Machen wir es«, sagte er.

ZWEITER TEIL -  DAS LAND DES WINTERMONDS
    Im hellen Licht vom Wintermond, ein Schrei hallt, völlig ungewohnt, durch die kalte Sternennacht von der Berge weißer Pracht
    bis hin zum Meer. Über grünen Feldern, Stadtstraßen und einsamen Wäldern, schreit das gequälte Menschenherz, sucht Trost, Erlösung vom Schmerz, etwas, das ihm seine Not erklärt, die unterm Licht des Mondes ewig währt. Die Dämmerung kann die Nacht nicht verdrängen. Müssen wir leben mit diesen Klängen, unter dem kalten Licht vom Wintermond, das uns mit Einsamkeit, Haß und Angst entlohnt, gestern, heute, morgen, altgewohnt, unter dem trüben Licht vom Wintermond?
    Das Buch der gezählten Leiden

VIERZEHNTES KAPITEL
    Im weit zurückliegenden Zeitalter der Dinosaurier waren so fürchterliche und mächtige Geschöpfe wie der Tyrannosaurus rex in verräterischen Teergruben zugrunde gegangen, auf denen die weitsichtigen Erbauer von Los Angeles später Autobahnen, Einkaufszentren, Häuser, Bürogebäude, Theater, Oben-ohne-Bars, wie Hot dogs und Filzhüte gestaltete Restaurants, Kirchen, Autowaschanlagen und so weiter gebaut hatten. Tief unter einigen Teilen der Metropole lagen diese versteinerten Ungeheuer in ewigem Schlaf. Den September und Oktober über hatte Jack das Gefühl, die Stadt sei noch immer eine Teergrube, in die er gestürzt war. Er war der Ansicht, es Lyle Crawford schuldig zu sein, eine Kündigungsfrist von dreißig Tagen einzuhalten. Und auf den Rat ihres Maklers hatten sie das Haus, bevor sie es zum Verkauf anboten, innen und außen gestrichen, einen neuen Teppichboden verlegt und kleinere Reparaturen vorgenommen. In dem Augenblick, da Jack den Entschluß gefaßt hatte, die Stadt zu verlassen, hatte er im Geiste gepackt und die Zelte abgebrochen. Nun war er

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