Wintermond (German Edition)
erstarrte er sofort wieder, als Diego daraufhin eine Hand in seiner Jacke verschwinden ließ und die Konturen einer Pistole ersichtlich machte.
„Du gehörst also dazu, ja?“, fragte Alex und schnappte aufgeregt nach Luft. „Hast mich die ganze Zeit verarscht und ausgenutzt?“
Diego zuckte gelassen mit der Schulter.
„Und was ist mit dem Wagen deiner Eltern und deiner demolierten Wohnung?“, fragte Alex irritiert. „Wie kann das sein?“
„Dem Wagen meiner Eltern ist nie etwas passiert ... und meine Wohnung ein bisschen durcheinander zu bringen und die Tür kaputtzutreten, ist kein großer Akt. Du solltest die Sache ernst nehmen, uns das Geld schnellstmöglich besorgen. Und ich wollte nicht auffliegen“, erklärte Diego.
Alex schüttelte seinen Kopf vor Fassungslosigkeit. Plötzlich machte alles einen Sinn. Es machte Sinn, dass Diego so viele Waffen besaß und es machte Sinn, dass er die Sache mit dem Studenten unbedingt allein hatte erledigen wollen. Es machte Sinn, dass Diego bislang noch nicht von der Polizei gefasst worden war. Immerhin schien er genug Leute um sich herum zu haben, die ihm einen unauffindbaren Unterschlupf ermöglichten. Ja, es machte sogar Sinn, dass Diego ihn genau an dem Tag der anstehenden Geldübergabe kontaktiert hatte. Die Italiener hatte alles gewusst - von Anfang an.
Er warf einen kurzen Blick zu Ben, der das ganze Geschehen weiterhin fassungslos beobachtete.
„Und wieso erzählst du mir das alles jetzt ?“, fragte Alex Diego.
„Um dir klar zu machen, dass du längst zu tief in allem mit drin hängst. Du weißt einfach zu viel“, erwiderte Diego.
„Und das heißt?“, fragte Alex und versuchte ruhig zu bleiben. Er wollte nicht provozieren, dass Diego seine Waffe zückte.
„Weißt du, Alex ...“, erwiderte Diego und legte seinen Kopf dabei in den Nacken, wodurch er nur umso überlegender wirkte, „... das Ganze hier ist kein Kindergeburtstag, auf den man geht, ein bisschen spielt und wieder abhaut“, er pausierte kurz. „Ist man einmal zu tief drin, kommt man so schnell nicht wieder raus. Du weißt zu viel und deshalb bleiben dir nicht besonders viele Möglichkeiten.“
Alex war zum Heulen zumute. Er war völlig überfordert.
„Diego, wir waren Kumpels ...“, versuchte er an dessen Gewissen zu appellieren.
„Kumpels, die sich gegenseitig in den Dreck gezogen haben“, erwiderte Diego. „Alex, wach auf! Ich bin auch nur einer ihrer Handlanger ... mehr nicht. Aber so halt’ ich mich über Wasser. Jeder will ein Stück von dem großen Kuchen.“
„Aber ich will mit der Scheiße nichts mehr zu tun haben“, gab Alex verzweifelt zurück. „Ich will das alles endgültig hinter mir lassen.“
„Dafür ist es längst zu spät“, erwiderte Diego und war dabei überraschend ruhig geworden.
„Und was willst du jetzt tun?“, fragte Alex aufgebracht. „Mich abknallen oder was?“
Während er sprach, näherte er sich dem Italiener in langsamen Schritten und blickte ihm dabei fest in die Augen. Allerdings schien Diego sich dadurch bedrängt zu fühlen. Nach kurzem Zögern riss er die kleine Pistole in einer hastigen Bewegung unter seiner Jacke hervor und richtete ihren Lauf auf Alex.
Dieser blieb sofort stehen, tat aber unbeeindruckt. Innerlich hingegen war er völlig aufgewühlt und hoffte inständig, dass Diego sich wieder beruhigen würde.
„Komm schon, Alter! Lass den Scheiß!“, versuchte er den Italiener zu besänftigen.
Zwischenzeitlich schielte er zu Ben, der noch immer wie erstarrt dastand und offenbar zu keinen Worten fähig war. Vermutlich war das in dieser prekären Situation auch besser so.
Alex war sich nicht sicher, was er tun sollte. Diego stand mit verzerrtem Gesichtsausdruck vor ihm, die Lippen fest zusammengepresst. Schließlich entschied Alex sich dafür, einen weiteren Schritt nach vorn zu gehen. Doch kaum, dass er seinen Fuß auch nur wenige Zentimeter bewegt hatte, entriegelte Diego seine Waffe und begann noch schwerer zu atmen.
„Wenn du abdrückst, kommt ihr genauso wenig an mehr Geld“, sagte Alex ruhig.
Die Aussage war das einzige, was ihm in jenem Moment als sinnvoll erschien.
„Ich sagte doch bereits ...“, schnaufte Diego. „Du weißt einfach zu viel.“
Alex starrte den Italiener an, versuchte ruhig zu bleiben und diese Ruhe auf sein Gegenüber zu übertragen.
„Sei doch vernünftig!“, bat er Diego eindringlich.
Doch der Italiener hatte sich offenbar bereits zu sehr in seine überlegene Rolle
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