Wintermond (German Edition)
Mit einem Mal klang er wieder völlig euphorisch. Er ahnte offenbar, dass er sein Ziel, Alex von dem Gang zur Polizei abzubringen, fast erreicht hatte.
„Wirklich, Alex!“, warf er noch hinterher. „Du solltest nicht zur Polizei gehen!“
„Da hat er Recht.“
Erschrocken wandte Alex sich um. Er hatte die Stimme sofort erkannt und blickte nun in das arrogante Gesicht Diegos. Innerlich begann er zu fluchen, wäre am liebsten weggerannt. Er hatte keine Ahnung, wie lange Diego ihr Gespräch schon verfolgt oder sie beobachtet hatte, aber es war in jedem Fall zu lange gewesen. Die letzten Worte Bens mussten gereicht haben, ihm einen triftigen Grund zur Beunruhigung zu geben.
„Diego!“, war das erste, was Alex schließlich überrascht hervorbrachte.
Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch der Italiener schien sich davon nicht beirren zu lassen.
Alex warf Ben einen flüchtigen Blick zu. Der Dunkelhaarige stand regungslos da und sah vollkommen hilflos aus. Er schien zu wissen, dass er einen großen Fehler gemacht hatte.
Diego bewegte sich elegant auf sie zu, warf Alex dabei ein diabolisches Grinsen zu und rotzte dann neben ihn auf den Boden.
Alex musste stark schlucken. Er hatte Ben nicht in die ganze Sache mit hereinziehen wollen, doch dafür war es nun bereits zu spät. Die Tatsache, dass Diego erfahren hatte, dass er zur Polizei wollte, machte die Angelegenheit nicht gerade einfacher.
Der schwarzhaarige Italiener blieb schließlich neben ihm stehen und nickte abfällig in Bens Richtung.
„Ist das die Scheißschwuchtel?“, fragte er abwertend.
Alex und Ben tauschten einen weiteren Blick untereinander. Ben schien nicht zu verstehen, warum Diego ihn derart beleidigte, während Alex ihm mit Hilfe von Mimik mitzuteilen versuchte, dass er sich nicht einmischen sollte.
Diego schritt noch weiter auf Alex zu und blieb dicht vor ihm stehen.
Er trug eine schwarze Hose und ein ebenso schwarzes Hemd, dessen obere Knöpfe er offen gelassen hatte. So bekam man einen freien Blick auf den Ansatz seiner behaarten Brust.
„Du willst also zu den Bullen?“, hakte Diego nach. Er klang bedrohlich.
Alex konnte nicht genau sagen, was es war, doch hatte sich irgendetwas an Diego verändert. Er wirkte beängstigender und mächtiger. Vermutlich lag das nur daran, dass Alex sich selbst nicht mehr auf einem derartigen Niveau befand und sich mittlerweile so verändert fühlte, dass er kaum noch mit Diegos herablassender Art mithalten konnte. Noch vor wenigen Wochen war das anders gewesen. Meistens hatte er über die Abende bestimmt und sich nicht sonderlich viel von Diego sagen lassen.
„Das kann dir doch egal sein“, erwiderte Alex schließlich. „Die Bullen suchen dich doch eh schon ewig. Ich bin letztens zwei von ihnen begegnet. Vor deiner Wohnung. Die suchen dich auch ganz aktuell. Aber du tauchst doch seit Jahren erfolgreich unter. Was sollen die dir also anhaben? Dein Leben ist doch sowieso schon am absolut jämmerlichsten Punkt angelangt. Aber ich ... ich will nicht so tief abstürzen. Ich will mit dem ganzen Mist aufhören. Ich hab’ den Scheiß nämlich sowas von satt!“
Alex hatte weit ausgeholt und die Wahrheit gesprochen, doch Diego schien seine Worte gekonnt zu ignorieren. Der Italiener lachte gehässig auf und wandte sich dann erneut an Ben.
„Kriegt Alex jetzt nichts mehr allein auf die Reihe oder warum bringt er sein Schoßhündchen mit?“
Alex beobachtete die beiden und sah, wie Ben Diego wütend anfunkelte, allerdings nichts erwiderte.
Dann drehte Diego sich wieder zu Alex.
„Hast du das Geld dabei?“, fragte er streng.
Alex nickte als Antwort.
„Sehr gut“, sagte Diego daraufhin und klang dabei wie ein zynischer Chef, für den man eine erniedrigende Aufgabe absolviert hatte.
„Diego, lass uns den ganzen Scheiß einfach hinter uns bringen und dann getrennte Wege gehen!“, versuchte Alex es erneut. „Ich werd’ sowieso nicht zu den Bullen gehen. Ben hat mich längst vom Gegenteil überzeugt.“
„ Ben? “, fragte Diego und blickte ihn angewidert an. „Seit wann nennst du den Kerl beim Namen?“
Alex blickte daraufhin zu Ben, der ihm einen fragenden Blick zuwarf.
„Lass gut sein, Diego!“, forderte Alex seinen Kumpel dann auf.
„Wo ist das Geld?“, fragte Diego barsch und schien sich auf das Wesentlichere konzentrieren zu wollen.
„In meinem Wagen“, erwiderte Alex.
„Dann hol’s gefälligst!“, befahl Diego wütend.
Alex blickte ihn irritiert an. Er wusste
Weitere Kostenlose Bücher