Wintermond (German Edition)
entfernen. Dann wählte er die Notrufnummer und presste das Telefon gleich darauf fest gegen sein Ohr.
Kaum, dass sich jemand am anderen Ende der Leitung meldete, begannen die Worte völlig chaotisch aus ihm herauszusprudeln.
„Ben ...“, nuschelte er benommen, „er blutet so stark“, er stockte und rang nach Luft. „Ben wurde angeschossen ... Bitte kommen Sie schnell!“
„Mit wem spreche ich, bitte?“, fragte die neutral klingende Stimme am anderen Ende.
„Tannenberger“, antwortete Alex ungeduldig, „Alexander Tannenberger.“
„Wo sind Sie gerade?“
„Pinnasberg ... am Pinnasberg“, erwiderte Alex stotternd.
„Was ist passiert?“
„Ben wurde getroffen ... er blutet total stark. Bitte kommen Sie endlich!“, entgegnete Alex unruhig.
„Wo wurde er getroffen?“
„An der Brust...“, erwiderte Alex und beugte sich dabei etwas weiter über seinen Freund, um die Stelle genauer orten zu können, „...genau an der Brust“, korrigierte er sich dann.
„Bleiben Sie bitte ruhig!“, forderte ihn die Frau der Notrufzentrale daraufhin nachdrücklich auf. „Ich schicke sofort einen Krankenwagen und Notarzt los.“
Alex nickte lediglich und dachte nicht einmal darüber nach, dass seine Gesprächspartnerin dies nicht sehen konnte. Dann ließ er das Handy von seinem Ohr gleiten, legte auf und ließ es zurück in seine Tasche rutschen.
„Mann, Ben!“, sagte er dann etwas lauter. „Jetzt mach’ keinen Scheiß! Hörst du?“
Das dunkle Blut strömte ununterbrochen aus der Wunde.
Alex atmete schwer und versuchte weiterhin alles Mögliche, um Ben zum Reden zu bewegen.
„Ich ... Ich hab’ ’nen Krankenwagen gerufen“, erklärte er nervös. „Die werden gleich hier sein.“
Daraufhin begannen sich Bens Lippen tatsächlich kaum merklich zu bewegen. Allerdings entrang ihnen kein Laut. Alex beugte sich noch etwas weiter vor und versuchte, Ben dadurch besser verstehen zu können
„Alex?“, keuchte der Dunkelhaarige.
Alex presste seine Lippen zusammen und nickte aufgeregt.
„Ja, ich bin hier“, erwiderte er, „Alles wird gut!“
Während er die letzten Worte aussprach, hob er seine Hand und legte sie auf die von Ben. Sie war ganz nass vom vielen Blut und fühlte sich dadurch recht warm an.
„Ich krieg’ kaum Luft ...“, stöhnte Ben.
Alex starrte ihn an. Er war erleichtert, als der Dunkelhaarige seine Augen einen Spalt breit öffnete. Das musste ein gutes Zeichen sein.
„Ben, es tut mir so leid“, flüsterte Alex.
Daraufhin bewegte Ben seinen Kopf verneinend von links nach rechts.
„Nein, Alex ...“, keuchte er heiser, „es ist nicht deine Schuld.“
Alex musste stark schlucken. Er spürte, dass er kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand.
„Pscht ...“, machte er deshalb, „du musst dich schonen.“
„Ich ... Ich hätte mich nicht verlieben dürfen ...“, hauchte Ben und hob eine seiner Hände, um die von Alex fester zu umfassen, „aber ich bereue es nicht, weil du ...“, er stöhnte vor Schmerz auf, „... weil du ein unglaublich toller Mensch bist.“
Die Worte klangen wie eine Verabschiedung. Doch diesen Gedanken verdrängte Alex schnellstmöglich. Er hoffte, dass die Notärzte bald kommen und ihm helfen würden.
„Ruh dich aus, Ben! Es kommt gleich Hilfe.“
Erneut schüttelte Ben kaum sichtbar seinen Kopf. Sein Händedruck wurde schwächer, seine Augen fielen zwischendurch immer öfter zu.
„Alex, ich liebe dich“, flüsterte Ben und klang dabei so leise, dass der Blonde ihn nur noch mit großer Mühe verstehen konnte.
Die Worte waren zu viel für Alex. Er wusste, dass Ben stark verletzt war, wollte die Hoffnung jedoch nicht aufgeben. Schließlich konnte er nicht mehr länger an sich halten und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Er begann zu weinen. Unzählige Tränen drangen aus seinen Augen, verteilten sich in seinem Gesicht und tropften auf Ben herab.
„Ben ... Du schaffst das!“, murmelte er weinend, „bitte halt einfach nur durch!“
Bens Augen fielen erneut zu und dieses Mal blieben sie geschlossen. Seine Atmung wurde langsamer, sein Gesicht blasser.
„Nein!“, befahl Alex sofort, „hör auf damit! Bleib wach!“
Seine Tränen wurden mehr, der Kloß in seinem Hals größer. Er beobachtete Ben und sah, wie dessen Lippen sich schließlich gänzlich schlossen und sein Kopf schlaff zur Seite kippte.
„NEIN!“, wiederholte Alex sich nun etwas lauter und schüttelte seinen Kopf ungläubig, „NEIN!“
Doch Bens Brustkorb schien
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