Wintermond (German Edition)
sein Leben rang.
Alex schüttelte sich, eilte weiter und begann schließlich zu laufen. Erst als ihm sein auffälliges Verhalten klar wurde, verlangsamte er seine Schritte wieder und kam endlich an seinem Wagen an. Er suchte nach seinem Schlüssel, öffnete den Wagen per Fernbedienung und stieg ein.
Ohne sich anzuschnallen schaltete er den Motor an. Er zog die Pistole aus der Hose und schob sie mit zittrigen Händen zurück in das Handschuhfach. Dann lenkte er aus der Parklücke und machte sich auf den Weg nach Hause.
Immer wieder fuhr er sich mit dem Handrücken über seine schweißnasse Stirn. Seine Halsschlagader pochte so stark, dass er kaum atmen konnte. Er versuchte sich auf die glatten Straßen zu konzentrieren, doch erschienen immer wieder die Bilder vor ihm, wie Diego den anderen zusammen geschlagen hatte.
Nervös fummelte er nach einer Zigarette im Handschuhfach. Dort bunkerte er eine Notfallration für derartige Fälle. Er steckte sie in den Mund und verfehlte sie beim Anzünden einige Male. In jenem Moment war ihm egal, dass er mit dem Rauchen aufhören wollte. Er zog ein paar Mal kräftig. Doch das panische Gefühl in ihm ließ dennoch nicht nach.
Er bog aus der Straße, folgte einer weiteren und gelangte schließlich auf die Elbchaussee, um schon bald darauf an der Villa seines Vaters anzukommen.
Jetzt, wo er wieder zu Hause war, begann er sich allmählich wieder zu beruhigen, als ob er mit der Flucht vom Tatort letztendlich auch den miesen Gefühlen entkommen war, die sich bis eben in ihm ausgebreitet hatten.
Die kalte Luft der Nacht tat gut, denn seine Wangen glühten vor Aufregung. Er fühlte, wie seine Kleidung schweißdurchtränkt an seinem Körper klebte und verspürte mit einem Mal den heftigen Drang, duschen zu gehen. Er wollte sich von dem Schweiß befreien und hoffte dabei insgeheim, auf diese Weise den Dreck der Tat loswerden zu können, sein Gewissen reinzuwaschen.
„Was für ein beschissener Tag“, fluchte er zu sich selbst, während er zur Haustür ging.
Der lockere Schnee, den er dabei festtrat, knatschte unter seinen Füßen.
Ich habe dich gewarnt , hallte die Stimme in seinem Kopf wider und damit der Verstand, der erst in jenem Moment wieder erwacht zu sein schien. Wenn du nur auf mich gehört hättest ...
Kapitel 7
Im Wintergarten war es dunkel geworden. Lediglich Bens Gesicht wurde durch das flimmernde Licht des vor ihm stehenden Laptops erhellt. Es war schon sehr spät, doch war Ben so sehr auf seine Arbeit konzentriert, dass er die Zeit vergessen hatte. Immer dann, wenn er doch einmal auf die Uhr spähte, verschob er seinen Feierabend um eine halbe Stunde weiter nach hinten, um noch eine letzte Sache bearbeiten zu können. Sobald er dies letztendlich erfolgreich getan hatte, fand er schon neue Kleinigkeiten, die er noch eben ausbessern wollte. So rann die Zeit schneller davon, als er es wahrhaben wollte.
Draußen schneite es schon wieder. Am dunkelblauen Himmel war eine schmale Mondsichel zu sehen. Die winzigen Schneeflocken flogen im schwachen Licht des Mondes wie ein Schwarm Fliegen an den Fenstern des Wintergartens vorbei.
Ben seufzte und kniff seine Augen einen Moment lang zusammen, um sie gleich darauf wieder aufzureißen. Sie brannten und fühlten sich trocken an. Die ganze letzte Woche hatte er mit dem Arbeiten an den Zeichnungen verbracht. Er wollte Jo beeindrucken und schnellstmöglich mit der ihm aufgetragenen Aufgabe fertig werden. Jo, der bekannte Architekt, hatte gute Kontakte und würde ihn bei Gefallen weiterempfehlen können. All das brachte Ben seinem Karriereziel näher und kurbelte seinen studentischen Werdegang an. Eines Tages wollte er auch einmal so gut wie Jo sein und sich einen Namen in der Branche machen. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Deshalb musste er noch viel lernen und vor allem üben, wobei ihn Jos Hilfe um ein Vielfaches weiter brachte als jegliche Studienlektüre. Mit Jo verstand er sich sehr gut. Er half ihm bei all seinen Fragen weiter, unterbrach dafür sogar manches Mal seine eigene Arbeit, wofür Ben ihm äußerst dankbar war. Ben versuchte die Zusammenarbeit mit Jo einfach von Jos Beziehung zu Alex zu trennen, um sich nicht ungewollt zu sehr in das Familienleben einzumischen. Dennoch konnte er Alex’ Missmut verstehen. Er fühlte sich sogar schlecht dabei, wenn Jo so viel Zeit mit ihm statt mit seinem Sohn verbrachte. Dieses schlechte Gewissen versuchte er auszubügeln, indem er sich bemühte, ein
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