Wintermond (German Edition)
Er erinnerte sich daran, kurz vor seiner Ankunft bei den Tannenbergers dort einen Park gesehen zu haben. Sam folgte ihm schwanzwedelnd.
Die tief stehende Wintersonne spiegelte sich auf der Elbe und ließ den Schnee am Ufer nur umso stärker glitzern. Ben war froh, dass er nun doch noch seine Runde Joggen konnte und erleichtert, dass er Jo eine exzellente Arbeit abgeliefert hatte. Seine schlaflose Nacht, auch wenn sie nicht nötig gewesen wäre, hatte sich also durchaus rentiert. Doch genau mit diesem Gedankenzug schien ein ganzer, völlig überfüllter Schrank von Gedanken in seinem Kopf aufzuspringen, dessen Inhalt sich nun chaotisch in ihm ausbreitete. Innerlich schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und verzog peinlich berührt sein Gesicht. Ein anderer Jogger blickte ihn aufgrund dessen etwas skeptisch an. Doch Ben schaffte es nicht, ausdruckslos geradeaus zu blicken. Nicht, wenn er daran zurückdachte, wie Alex ihn beim Spannen erwischt hatte. Ben hatte in jener Situation gelassener getan, als er es gewesen war. Die ganze Sache war furchtbar peinlich gewesen. Allein der Gedanke daran ließ ihn noch immer rot werden. Zum Glück hatte Alex ihn nicht dabei erwischt, wie er sich auf den makellosen Körper des Blonden einen runtergeholt hatte, denn er war kurz davor gewesen, dies zu tun. Das hätte die Blamage vollkommen gemacht. Aber so sehr er sich auch im Nachhinein schämte, erinnerte er sich auch detailliert genug an die Szene zurück, um sein Handeln nachvollziehen zu können. Alex war beim Duschen verdammt sexy gewesen. So sexy, dass es beim bloßen Gedanken an den geilen Körper in seinem Schritt zuckte. Ben war deshalb froh, als Sams Bellen ihn für kurze Zeit aus den Gedanken riss. Ein anderer Hund hatte Sam offenbar aus dem Konzept gebracht.
„Ist gut, Sam!“, sagte Ben ruhig und bestimmt und ließ den älteren Herrn samt Goldenretriever passieren, bevor er wieder von Sams Halsband abließ und weiter zu laufen begann.
Sam hatte sich wieder beruhigt und folgte ihm, glich sich dabei Bens Tempo an.
Doch sobald Ben wieder zurück auf die Elbe starrte, kehrten die vielen Gedanken wieder zurück. Er erinnerte sich daran, wie Alex ihn gegen das Glas des Wintergartens gedrückt hatte, erinnerte sich an die Nähe und daran, wie Alex’ grobe Art ihn angeturnt hatte. Vermutlich hatte das noch an der restlichen Geilheit gelegen, welche die Duschszene in ihm hervorgerufen hatte, aber ganz sicher war er sich da nicht. Jedenfalls tat er den Gedanken vorerst mit dieser Begründung ab.
Er lief noch ein ganzes Stück weiter, erreichte dann den Park und beschloss dort erst einmal, weil er schneller als üblich gelaufen war, eine kurze Pause zu machen. Er folgte dem schnneeverschmierten Pfad des Parks noch ein paar hundert Meter, bevor er seine Schritte allmählich verlangsamte und bei einem kräftigen Baum stehen blieb, sich erschöpft mit dem Rücken gegen den dicken Stamm lehnte und dabei beobachtete, wie Sam sich schnüffelnd umsah. Ben lockerte seinen Schal ein wenig und stützte sich mit den Händen auf seinen Knien ab, atmete tief ein und aus. Die Übermüdung schien sich wieder bemerkbar zu machen, denn ihm wurde etwas schwindelig. Das kannte er eigentlich nicht von sich. Gerade, als er sich wieder aufrichtete, um auf Sam zuzugehen, hörte er plötzlich eine vertraute Stimme. Es war Alex’ Stimme.
Ben verharrte augenblicklich, wagte es nicht mehr, sich zu bewegen.
„Sam ...“, zischte er so leise, dass seine Lippen das Wort mehr formten, als dass ihnen ein Laut entrang. Der Hund schien ihn gehört zu haben und tapste neugierig auf ihn zu, setzte sich neben ihn in den weißen Schnee.
„Gut so“, flüsterte Ben und hielt Sam am Halsband fest. „Pscht!“
Er trat einen kleinen Schritt um den Baum und spähte dahinter. Dadurch konnte er sehen, wie Alex nervös vor einer Parkbank auf und ab schritt und dabei sein Handy gegen sein Ohr presste. Irgendwann blieb er stehen, strich grob den Schnee von der Bank und setzte sich.
Ben hielt Sam gut fest, hoffte, dass dieser nicht übermütig zu seinem Herrchen laufen wollte. Dann versuchte er einige Worte von Alex aufzuschnappen, doch viel konnte er nicht verstehen. Es waren lediglich ein paar Wortfetzen, die bis zu Bens Ohr hervordrangen.
„Hatte das Geld ja ... dann ... alles ... Diego ... brauch’ mehr Zeit“, hörte er Alex aufgebracht sagen.
Dann konnte er sehen, wie der Blonde das Handy von seinem Ohr zog und kurz darauf fluchend nach
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